MFPs von heute sind keine Kisten mehr, die Papier ausspucken. Sie sind vernetzte IT-Endgeräte, Datenportale, Workflow-Steuerer. Sie stehen längst nicht mehr am Ende eines analogen Prozesses, sondern im Zentrum digitaler Informationsflüsse. Sie empfangen, scannen, verteilen – und eröffnen Schnittstellen in komplexe digitale Workflows. Wer das nicht verstehen will, darf sich nicht wundern, wenn er unvermittelt am Abgrund entlangbalanciert. Das Problem ist nicht die Technik – es ist das Mindset. Es ist die Denkweise: zu komplex, zu riskant, zu viel Software. Willkommen im Jahr 2025.
Während einzelne Händler mit Riesenschritten in Richtung Managed Services marschieren, Allianzen mit Systemhäusern schmieden, um ihr Wirkungsfeld zu erweitern, Investitionen tätigen und Plattformstrategien entwickeln, klammern sich andere an das Altbekannte. Dabei hat der Kunde schon längst einen Gang höher geschaltet – für viele Händler ist das Tempo aber offensichtlich zu hoch. In vielen Gesprächen zeigt sich eine klare Entwicklung: Unternehmen – insbesondere Großkunden – wollen keine fragmentierten IT-Dienstleistungen mehr, sondern Komplettlösungen und wenn es eben geht, aus einer Hand. Auch wenn Behörden immer noch mit der Preiskeule Aufträge vergeben, ist der Trend klar: Die Anforderungen steigen auch hier, die Fragen nach innovativen Systemen im Output-Management werden lauter, die Schnittmengen zwischen Print, IT und Digitalisierung wachsen.
Das stellt den indirekten Vertrieb vor große Herausforderungen. Zwar bleibt der Fachhandel erster Ansprechpartner vor Ort, aber der Kunde erwartet oft mehr – etwa tiefes IT-Know-how oder Speziallösungen für Security und Compliance. Das Spannungsfeld ist vorgezeichnet: Wer auf alte Stärke pocht, wird künftig an Relevanz verlieren.
Insgesamt tut sich die Branche bis heute schwer, ihre eigene Bedeutung in modernen Workflows sichtbar zu machen. MFPs ermöglichen nicht nur Dokumentenprozesse – sie sind oft das physische Einfallstor in die digitale Welt: Scan-to-Cloud, Metadatenextraktion, Zugriffskontrollen, Dokumentenrouting. Aber all das, was die digitale Transformation ausmacht, setzt technologische Kompetenz voraus – und einen Vertrieb, der mehr kann, als nur an der Preisschraube zu drehen.
Viel zu oft wird heute immer noch nur über Geschwindigkeit und Seitenpreise gesprochen – und nicht über Automatisierung, Prozessintegration oder Sicherheitsstandards. Gleichzeitig wächst die Komplexität im Maschinenpark: Moderne Systeme sind keine reinen Hardwareprodukte mehr, sondern softwaregesteuerte IT-Endgeräte – integriert in Flottenmanagementsysteme, vernetzt, sicherheitskritisch. Für viele Händler ganz offensichtlich ein nur schwer zu stemmender Umbruch.
Mit dem Ergebnis, dass sich aktuell die Spreu vom Weizen zu trennen beginnt. Zwar sind viele Händler finanziell gut aufgestellt, doch gerade das bremst die Veränderungsdynamik. Warum investieren, wenn es auch so läuft? Die Antwort ist einfach: Weil es nicht so bleiben wird. Wer nur noch Hardware liefert, darf sich nicht wundern, wenn er immer seltener mit am Tisch sitzt, wenn der Kuchen verteilt wird.
Denn die Systemhäuser bringen mit, was vielen Druck- und MFP-Partnern fehlt: Cloud-Expertise, IT-Dienstleistungen, Softwarevertrieb. Und während der klassische MFP-Händler mit Hardwarelogistik, Techniker-Know-how und konventionellem Vor-Ort-Service zu punkten versucht, arbeiten Systemhäuser längst mit ertragreichen Cloud-Subscriptions, Fernwartung und Remote-Support. Noch fehlt den Systemhäusern die Serviceinfrastruktur für Druck- und MFP-Systeme – aber das könnte sich bald ändern. Der Akquisitionshunger großer Systemhäuser wächst und mit ihm das bislang fehlende technische Service-Know-how im Drucker- und MFP-Business.
Relevanz entsteht nur durch Veränderung, durch Bewegung, durch Mut. Wer MFPs weiter als isoliertes Produkt verkauft, lässt nicht nur Chancen, sondern vor allem Geld liegen – in Form berechenbarer Managed Services, ertragreicher Cloud-basierter Plattformmodelle oder datengetriebener Lösungen. Dabei wäre der Fachhandel ideal positioniert, mit gewachsener Infrastruktur, Technikerflotte und regionaler Nähe, wenn er auch noch IT-Kompetenz und Prozessverständnis mit in die Waagschale werfen könnte.
Die Digitalisierung fordert neue Denkweisen, neue Partnerstrukturen – und neue Narrative. Der Fachhandel kann mehr sein als Vertragsverwalter oder Preisdrücker. Er kann Enabler sein. Begleiter. Integrator. Doch dafür braucht es den Mut zur Investition und zur Veränderung. Und die Einsicht, dass der Vertrieb von gestern keine Antworten mehr auf die Fragen von morgen gibt. Es geht nur über den Verkauf von Mehrwert. Wer dazu keine Lust hat, darf sich nicht wundern, wenn der Kunde bald woanders anruft. Die Preisschlachten herkömmlicher Couleur hinterlassen beim Kunden letztendlich keinen bleibenden Eindruck, sondern allenfalls tiefe Schleifspuren in der Bilanz des Fachhändlers.
Dr. Alfried Große, Herausgeber
27.08.2025