People Analytics/KI

Ein Ritt auf der Rasierklinge

Ausgabe-Nr.: 10/
2021

Eine aktuelle Umfrage des Bundesverbands der Personalmanager (BPM) sowie des Ethikbeirats ‚HR-Tech‘ bilanziert, dass etwa ein Drittel der HR (Human Resources)-Abteilungen inzwischen digitale Technologien verwendet oder deren Einsatz plant. Dabei befürworten die Verantwortlichen für das Personal klare ethische Rahmen-Bedingungen in der Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI). Die KI wird vor allem in Recruiting-nahen Anwendungs-Fällen wie bei der Optimierung von Stellenanzeigen, der Analyse von Lebensläufen oder der Integration von Chat-Bots eingesetzt. Oft gleicht die Konfiguration der Algorithmen einem Balance-Akt zwischen der Optimierung und Verfälschung einer Kandidaten-Bewertung.

„Digitale Technologien wie KI befinden sich im Personal-Management immer mehr im Aufwind. HR-Professionals müssen über das Rüstzeug verfügen, mit den modernen Technologien im Berufsalltag sicher und weitsichtig umzugehen. Unsere Studie unterstreicht die Notwendigkeit pragmatischer, handlungsleitender ethischer Richtlinien für den verantwortungsvollen Einsatz von KI und moderner Technologie in HR“, betont Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des BPM* in Berlin.

Rund 30 Prozent der konsultierten Unternehmen greifen bereits auf entsprechende Applikationen zurück. Der BPM sowie der Ethikbeirat ‚HR-Tech‘* thematisierten im Rahmen der Untersuchung ‚Zwischen Angst und Aufbruch – Moderne Technologien und KI im HR-Management‘ acht Anwendungs-Felder. Konkret ging es um die Analyse von Lebensläufen, die Optimierung von Stellenanzeigen, Chat-Bots als Ansprechpartner, das Matching von Profilen, die Erstellung eines Rankings, Vorschläge für Entwicklungs-Maßnahmen, die Analyse von Audio- und Video-Aufnahmen sowie die Vorhersage der Kündigungs-Absicht.

Die Mehrheit der im Juli und August 2021 befragten 314 Personal-Entscheider beurteilt den Einsatz von KI-Software als sinnvoll im Sinne einer qualitativen Verbesserung der Personalarbeit. Die Spitzenplätze belegen die Chatbot-Nutzung (93 Prozent „voll und ganz sinnvoll“ beziehungsweise „sinnvoll“), die Optimierung von Stellenanzeigen (92 Prozent) und das Matching von Profilen (91 Prozent) (-> Grafik 1). Die vollautomatisierte Analyse von Lebensläufen wird etwas kritischer eingestuft (84 Prozent).

Grafik 1: Die Optimierung von Stellenanzeigen wird als sinnvoll, die Erstellung von Rankings als weniger sinnvoll bewertet

Mit Blick auf den Nutzungs-Grad bestimmter Tools führt die automatisierte Analyse von Lebensläufen (CV-Parsing) mit einer flächendeckenden Verbreitung von elf Prozent vor der Optimierung von Stellenanzeigen (sieben Prozent). Der Gebrauch von Chat-Bots als Ansprechpartner und das Matching von Profilen kommen jeweils auf fünf Prozent (-> Grafik 2). Demgegenüber fanden die in letzter Zeit heftig diskutierte automatische Bewertung von Audio- und Video-Aufnahmen sowie die Vorhersage der Kündigungs-Absicht „bisher noch nicht ihren Weg in die Organisations-Realität“, konstatieren die Autoren der Studie.

Grafik 2: Bei der Analyse von Lebensläufen ist der Einsatz von KI bisher am weitesten verbreitet

Das Bedürfnis nach mehr Sicherheit und Verbindlichkeit in diesem Prozess ist groß. So wünschen sich 84 Prozent der HR-Professionals feste Richtlinien für den Einsatz entsprechender Technologien. Die Vorgaben müssen dabei nicht gesetzlicher Natur sein. Auch Hilfestellungen von Fachgremien auf gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Ebene werden akzeptiert. Bekannte Richtlinien sind zum Beispiel das Weißbuch der Europäischen Kommission zu KI oder die KI-Strategie der Bundesregierung. Die Leitsätze sind den meisten Personalern allerdings unbekannt.

Die Arbeit mit KI setzt eine sorgfältige Prüfung der historischen Daten-Bestände voraus, um eine Diskriminierung der Bewerber und sonstige Fehlentwicklungen auszuschließen. In dieser Hinsicht identifiziert die Analyse einen bedenkenswerten Befund: Je nach Anwendung wird in zirka einem Drittel bis zur Hälfte der Fälle auf Tests verzichtet. Jene sind nach Auffassung des Ethikbeirats jedoch ein „unabdingbarer Arbeitsschritt“ bei der Einführung von automatisierten Verfahren.

„Die an der Studie teilnehmenden HR-Professionals votieren klar dafür, dass es einerseits derartige Leitplanken für die Nutzung von digitalen Technologien im Unternehmens-Kontext braucht. Andererseits stellen sie den durch den Ethikbeirat HR-Tech erarbeiteten Vorgaben ein erstklassiges Zeugnis aus. Das gilt sowohl für die Inhalte, die konkrete Schärfe in der Formulierung wie auch deren Praktikabilität“, sagt Michael H. Kramarsch, Co-Chair des Beirats.

Insgesamt erzielen die zehn Richtlinien des Ethikbeirats eine hohe Zustimmung. Als besonders relevant bewerten die Studien-Teilnehmer die Forderung, dass die letzte Entscheidungs-Befugnis für den Einsatz einer Technologie einer natürlichen Person obliegt und nicht ein Algorithmus allein entscheidet.

„Die aktuelle Studie belegt, dass die Digitalisierung in HR angekommen ist. Noch ist Zeit, die damit verbundenen praktischen und ethischen Herausforderungen breiter zu diskutieren und die Einführung und Nutzung der Technologien verantwortungsvoll zu gestalten. Personaler spüren die Notwendigkeit, sich des Zukunfts-Themas anzunehmen. Noch besteht aber eine erhebliche Kluft zwischen dem Anspruch einerseits und der digitalen Elementar-Bildung und dem Handlungswissen andererseits“, resümiert Prof. Dr. Martin Kersting, Professor für psychologische Diagnostik an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

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*Der Bundesverband der Personalmanager ist die berufsständische Vereinigung für Personalmanager aus Unternehmen, Organisationen und Verbänden. Der Verband fördert den Wissens-Austausch unter HR-Verantwortlichen und vertritt die Interessen seiner 4.600 Mitglieder gegenüber Politik und Wirtschaft. Die Mitglieder sind HR-Professionals aus allen Personal-Funktionen und Führungs-Ebenen.

*Der Ethikbeirat HR-Tech, gegründet im Dezember 2019, besteht aus Wissenschaftlern und Experten aus Verhaltens-Ökonomie, Personal-Management, Psychologie, Wirtschafts-Ethik und Recht. Das Ziel des Gremiums ist es, insbesondere HR-Professionals Orientierung für einen verantwortungsvollen Einsatz von modernen Technologien zu geben.

BPM-Präsidentin Inga Dransfeld-­Haase

BPM-Präsidentin Inga Dransfeld-­Haase: „Digitale Technologien wie KI befinden sich im Personal-Management immer mehr im Aufwind. HR-Professionals müssen über das Rüstzeug verfügen, mit den modernen Technologien im Berufsalltag sicher und weitsichtig umzugehen.“ (Foto: Bundesverband der Personalmanager/Kalle Singer)

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