Arbeitswelt-Bericht 2021

Schonungslose Offenlegung der Defizite

Ausgabe-Nr.: 7/
2021

Der im Januar 2020 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) berufene ‚Rat der Arbeitswelt‘ veröffentlichte vor Kurzem seinen ersten Bericht. Dieser benennt die wichtigsten Handlungsfelder auf dem Arbeitsmarkt und nimmt zu den Folgen der Covid-19-Pandemie Stellung. Dabei gibt er Empfehlungen zu diversen Aspekten ab, die im Sinne einer besseren Arbeitswelt verändert sowie optimiert werden können.

„Es gilt aus der Pandemie zu lernen, zum Beispiel für den künftigen Umgang mit gesundheitlichen Risiken, für die Weiterentwicklung des Arbeitsschutzes in großen wie in kleinen Unternehmen, wie auch für die künftige Gestaltung des Home-Offices“, gibt Isabel Rothe, Ratsmitglied und Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, die Devise für die nächsten Monate vor.

Der ‚Rat der Arbeitswelt‘ versteht sich als ein „unabhängiges, interdisziplinär aufgestelltes Experten-Gremium“. Er besteht aus Vertretern der Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Seite sowie aus Wissenschaftlern. Das Organ wurde Anfang 2020 vom BMAS implementiert und wird fortan jährlich einen Bericht über die Arbeitswelt vorlegen.

Zu den Empfehlungen im Bereich ‚Home-Office‘: „Das ad hoc eingeführte Home-Office hat zwar zum Arbeits- und Infektionsschutz entscheidend beigetragen. Allerdings ging es zum Teil mit mangelnder technischer Unterstützung, gleichzeitigem Home-Schooling und häufig unklaren Arbeitszeit- und Erreichbarkeits-Regeln einher. Das sollte nicht das Home-Office der Zukunft sein“, konstatiert der Rat. Speziell das Fehlen von technischen Voraussetzungen erschwert es etwa 30 Prozent der Beschäftigten, von Zuhause aus ihrer Tätigkeit nachzugehen (-> Grafik 1). Dieses Resultat basiert auf einer aktuellen Online-Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs-Forschung (IAB) unter 2.803 Personen.

Grafik 1: Hindernisse der Home-Office Nutzung vor und währens der Covid-19-Pandemie aus Sicht der Beschäftigten

Vielmehr gilt es, angemessene Regelungen zu schaffen, um ein gesundheitsgerechtes und produktives Arbeiten auch am heimischen Arbeitsplatz zu gewährleisten. Hierzu sind betriebliche Regelungen zur ergonomischen Ausstattung, zur Erreichbarkeit oder zum Umgang mit Daten von Beschäftigten ebenso erforderlich wie gesetzliche Rahmen-Bedingungen, lautet die Forderung.

Darüber hinaus betont der Rat die Notwendigkeit der Umsetzung von Standards zur Erfassung der Arbeitszeit: „Der Gesetzgeber sollte Regelungs-Lücken für mobiles Arbeiten, insbesondere für die Arbeit im Home-Office, für die im Gegensatz zur Telearbeit derzeit keine Normierung existiert, schließen.“ Damit spricht sich das Gremium klar für ein ‚Mobile-Arbeit-Gesetz‘ aus (-> Artikel auf Seite 8).

Zur Absicherung von geringfügig Beschäftigten: „Für viele Minijobber lohnt es sich bislang nicht, länger zu arbeiten“, erklärt IAB-Vizedirektor Prof. Dr. Ulrich Walwei. Hinzu kommt, dass geringfügige Beschäftigungen oft nicht die „erhoffte Brücke“ in eine sozialversicherungspflichtige Anstellung bauen. Der Report empfiehlt daher eine stufenweise Abschaffung mit Bestandsschutz für bestehende Verträge und sinnvollen Ausnahme-Regelungen für zum Beispiel Schüler, Studierende oder Rentner.

Die Corona-Krise machte dem Bericht zufolge deutlich, dass geringfügig Beschäftigte bei einem Verlust des Arbeitsplatzes nicht abgesichert sind: „Die steuer- und abgabenrechtliche Privilegierung der geringfügigen Beschäftigung ist nicht mehr zeitgemäß. Mittel- bis langfristig bergen die starren Verdienstgrenzen der geringfügigen Beschäftigung überdies das Risiko, dass das Fachkräfte-Potenzial nicht vollständig ausgeschöpft wird“, so das ernüchternde Fazit.

Das Thema ‚soziale Absicherung‘ betrifft auch die mehr als 2,1 Millionen Solo-Selbstständigen, die von der Covid-19-Krise besonders stark betroffen sind. Damit die Attraktivität selbstständiger Tätigkeiten auch künftig erhalten bleibt, möchten die Experten den Zugang zur freiwilligen Arbeitslosen-Versicherung erleichtern. Zudem sollte der Mindestbeitrag bei einer freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung abgesenkt werden. Ein weiterer Vorschlag ist, dass Selbstständige zur Altersvorsorge verpflichtet werden.

Stephan Schwarz, geschäftsführender Gesellschafter der Gebäudereinigung GRG Services Berlin GmbH & Co. KG und ehemaliger Präsident der Handwerkskammer Berlin, spricht ein zweites wichtiges Handlungsfeld für Selbstständige an: „Scheinselbstständigkeit verzerrt den Wettbewerb in relevantem Umfang. Deshalb braucht es einen klaren Kriterienkatalog. Er kann verhindern, dass Beschäftigten soziale Rechte vorenthalten werden und der Wettbewerb zu Lasten regelkonform agierender Unternehmen verzerrt wird.“

Stephan Schwarz, geschäftsführender Gesellschafter der Gebäudereinigung GRG Services Berlin

Stephan Schwarz, geschäftsführender Gesellschafter der Gebäudereinigung GRG Services Berlin: „Scheinselbstständigkeit verzerrt den Wettbewerb in relevantem Umfang. Deshalb braucht es einen klaren Kriterienkatalog.“ (Foto: Klaus Heymach/GRG)

Zur beruflichen Pflege: Bereits vor der Pandemie waren beruflich Pflegende mit erheblichen Belastungen konfrontiert. Wenn man die entstandenen Arbeitsunfähigkeitstage und frühzeitigen Renteneintritte summiert, gibt es 26.000 Pflegekräfte mehr, die im Beruf tätig sein könnten, geben die Mitglieder des Rates zu bedenken. „Für mehr qualifiziertes Pflegepersonal müssen die Motive der Berufswahl auch mit der erlebten Berufswirklichkeit übereinstimmen“, fordert Michaela Evans, Direktorin des Forschungs-Schwerpunktes Arbeit und Wandel am Institut Arbeit und Technik. Obendrein muss es besser gelingen, geeigneten und motivierten Personen neue Qualifizierungs-Chancen zur Pflegefachkraft zu eröffnen.

„Angesichts zunehmender personeller Engpässe muss sich die qualifizierte Pflege diversen Beschäftigten-Gruppen erschließen, auch solchen ohne klassische Pflegeausbildung. Mehr als 205.000 Personen sind in den Pflegeheimen und ambulanten Diensten derzeit ohne Berufsabschluss oder mit sonstigen Berufsabschlüssen tätig“, heißt es im Bericht. Das Gremium rät deswegen zu ressort­übergreifenden Vereinbarungen für die Entwicklung und Umsetzung einer arbeits- und beschäftigungsorientierten „Digitalen Agenda der Pflege“.

Zum Thema ‚Weiterbildung‘: Bei rund der Hälfte der Weiterbildungs-interessierten Personen spielen immer noch monetäre Faktoren eine wesentliche Rolle für die Teilnahme. Um den Zugang zu einer finanziellen Förderung beruflicher Abschlüsse zu verbessern, gilt es, die Altersgrenze im BAföG deutlich anzuheben sowie den Vorrang einer anerkannten Berufsausbildung vor der Vermittlung in Arbeit im SGB II (Sozialgesetzbuch) rechtlich zu verankern, lautet eine weitere zentrale Forderung.

„Der Strukturwandel trifft in Deutschland auf ein außerordentlich komplexes Weiterbildungssystem“, sagt Frank Bsirske, ehemaliger Vorsitzender der Dienstleistungs-Gewerkschaft ver.di. Die Nationale Weiterbildungs-Strategie sei ein erster richtiger Schritt für mehr öffentliche Verantwortung. Sie sollte jedoch ausgebaut und mit einer regionalen Koordinations-Struktur verknüpft werden.

Isabel Rothe, Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Isabel Rothe, Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: „Es gilt aus der Pandemie zu lernen, zum Beispiel für den künftigen Umgang mit gesundheitlichen Risiken, für die Weiterentwicklung des Arbeitsschutzes in großen wie in kleinen Unternehmen, wie auch für die künftige Gestaltung des Home-Offices.“ (Foto: Sylwia Wisbar)

Newsletteranmeldung Stellen@Markt
Newsletteranmeldung Stellen@Markt

Werden Sie Empfänger unseres regelmäßigen Newsletters und erhalten die aktuellsten Informationen.

Sie haben sich erfolgreich eingetragen!

Newsletteranmeldung IT-/MFP-/Drucker@Markt
Newsletteranmeldung IT-/MFP-/Drucker@Markt

Werden Sie Empfänger unseres regelmäßigen Newsletters und erhalten die aktuellsten Informationen.

Sie haben sich erfolgreich eingetragen!

Newsletteranmeldung Büromöbel@Markt
Newsletteranmeldung Büromöbel@Markt

Werden Sie Empfänger unseres regelmäßigen Newsletters und erhalten die aktuellsten Informationen.

Sie haben sich erfolgreich eingetragen!