Nachfolge-Regelung

Rückgrat der Wirtschaft bedroht

Ausgabe-Nr.: 5/
2020

Der Generations-Wechsel in der Unternehmens-Führung stellt den Mittelstand seit Jahren vor enorme Herausforderungen. Die sich verschärfende demografische Entwicklung erhöht den Druck auf mittelständische Familien-Unternehmen noch zusätzlich. Bereits jeder zweite Inhaber oder Geschäftsführer muss sich in absehbarer Zeit mit der Frage seiner Nachfolge beschäftigen – ansonsten droht der große Kollaps. Dagegen läuft in den Konzernen oder großen Firmen die Suche nach neuen Führungskräften längst in institutionalisierten Programmen ab.

„Viele Firmenlenker beginnen zu spät mit der Nachfolge-Planung und sind von den Prozessen insgesamt überfordert. Die Studien zeigen, dass es in Sachen Unternehmens-Nachfolge kurz vor zwölf ist. Dieser Mangel bedroht viele Mittelständler in ihrer Existenz und damit auch das Rückgrat der deutschen Wirtschaft mit mehr als einer Million Arbeitsplätzen. Vor diesem Hintergrund sehen wir sehr großes Potential für ein stärkeres Engagement externer Interessenten. Gerade kleine und mittlere Firmen, die mit den Herausforderungen der digitalen Transformation konfrontiert sind, bieten jungen, tatkräftigen Nachfolgern vielversprechende Chancen“, erläutert Jan Friedrich, Experte für Unternehmens-Nachfolge im Mittelstand und Vice President Field Marketing Central Europe bei der Sage GmbH in Frankfurt.

Folglich belastet nicht nur die Corona-Krise deutsche Mittelständler derzeit schwer. Auch der demografische Wandel entwickelt sich zu einer zunehmenden Hürde. Laut einer aktuellen Studie der Osnabrücker Beratungsfirma Kern, die kleine und mittelständische Betriebe in regelmäßigen Abständen zu ihrer Nachfolge befragt, ist jeder zweite Inhaber beziehungsweise Geschäftsführer bereits heute älter als 55 Jahre. Bis 2025 wird dieser Anteil auf 70 Prozent ansteigen – sofern sich bis dahin kein verlässlicher Nachfolger gefunden hat. Untersucht wurden rund 580.000 Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 250.000 Euro und 50 Millionen Euro.

Wie schwerwiegend die Konsequenzen sind, die sich daraus ergeben, zeigen aktuelle Zahlen von KfW Research (Kreditanstalt für Wiederaufbau): Bis zu 450.000 mittelständische Firmen könnten in den kommenden Jahren den Markt verlassen, wenn für sie kein Ersatz bereitsteht. Allein bis Ende 2021 wären das rund 100.000 Betriebe. Diese Prognose gewinnt vor dem Hintergrund, dass rund 35 Prozent des Gesamtumsatzes in Deutschland von kleinen und mittleren Firmen (KMU) erwirtschaftet werden (-> Grafik 1), erheblich an Brisanz.

Das heraufziehende Drama ist ebenfalls Gegenstand des ‚DIHK-Reports zur Unternehmensnachfolge 2019‘ der Industrie- und Handelskammern (IHK). Insgesamt 6.911 Inhaber im fortgeschrittenen Alter suchten im Jahr 2018 den Rat der IHK (-> Grafik 2), um neutrale Unterstützung im Prozess des Generations-Wechsels zu erhalten. Das ist ein Zuwachs von vier Prozent gegenüber dem Vorjahr und ein abermaliger Rekord in der Historie des Reports. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Übernahme-Interessierten auf 3.917. In 2009 waren es noch 8.417.

Der klassische Weg der Unternehmens-Nachfolge entwickelt sich somit immer mehr zum Auslaufmodell. Deshalb suchen kleine und mittelständische Betriebe verstärkt nach externen Käufern. Doch die sind – auch bedingt durch den demografischen Wandel – ebenfalls schwer zu finden. Die Übergabe an einen externen Nachfolger ist die wesentlich herausforderndere Alternative. Nicht zuletzt deshalb, weil für Eigentümer die emotionale Hürde, ihr Lebenswerk in fremde Hände zu geben, häufig sehr hoch ist.

Tatsächlich bringt die Übernahme eines bestehenden Unternehmens zahlreiche Vorteile. Der Nachfolger kann einerseits auf erfahrene Mitarbeiter und bewährte Prozesse zurückgreifen. Andererseits besitzt er viel Spielraum für Veränderungen. Um neue strategische Impulse im Unternehmen zu setzen, aber auch um wichtige Modernisierungen anzustoßen. Vor allem die Digitalisierung bietet hier enormes Potenzial.

Im Mittelstand streben laut KfW gegenwärtig rund 152.000 Inhaber die Übergabe ihres Unternehmens an einen Nachfolger an. Für die Umsetzung gilt es, jemanden zu finden, der die eigenen Ideale und Prinzipien teilt und nach außen vertritt. Viele Unternehmer tun sich mit diesem Schritt schwer und schieben zum Beispiel wirtschaftliche, organisatorische, rechtliche, steuerliche oder finanzielle Gründe vor.

„Wer sich eigenständig etwas aufgebaut hat oder etwa ein etabliertes Familien-Unternehmen in dritter Generation führt, dem fällt es schwer, loszulassen und den Stab weiterzugeben. Zu den Mitarbeitern besteht häufig ein sehr enges Verhältnis, was einen Ausstieg zusätzlich erschwert. Ein Schlüssel: dem Unternehmen weiterhin zur Seite stehen, beispielsweise in beratender Funktion“, sagt Dr. Uwe Böning, Management-Berater und geschäftsführender Gesellschafter der Böning-Consult GmbH in Frankfurt. Er begleitet mit seiner Dienstleistung Nachfolger als Partner und hilft ihnen dabei, angemessene Entscheidungen zu treffen und zwischen den Parteien zu moderieren. „Steht der Kandidat fest, bedarf es einer Gestaltung des Übergangs-Prozesses und korrespondierender Kommunikation innerhalb des Unternehmens“, sagt der Experte.

Lutz Braun, Geschäftsführer der BF Scale Consulting GmbH in Flein, unterteilt die Suche nach Nachfolgern in folgende Phasen: (1) Die Grundsatzfrage: Der scheidende Unternehmer beschließt, ob er seine Firma übergeben möchte, und klärt die Möglichkeiten der Nachfolge. (2) Die Strategie: Der Unternehmer analysiert die IST-Situation und macht den Betrieb fit für die Zukunft. (3) Die Suche: Der Unternehmer erstellt ein Anforderungsprofil und sucht einen familieninternen oder externen Nachfolger. (4) Der Rahmen: Man einigt sich auf die Nachfolge. In den folgenden Verhandlungen werden auch Ablauf und Modalitäten der Geschäfts-Übergabe erarbeitet. (5) Der Tag X: Der Nachfolger übernimmt das Unternehmen. Die Veränderungsprozesse werden angestoßen. (6) Die Führung: Der scheidende Unternehmer oder externe Berater begleiten und unterstützen den Nachfolger. Diese Schritte durchlief die Elanders GmbH aus Waiblingen exemplarisch (-> siehe folgender Artikel).

Zu einer modernen Form der Nachfolge-Regelung: Eine aktuelle Befragung der Personal- und Organisationsberatung Korn Ferry unter 1.009 Unternehmen weltweit fand heraus, dass 55 Prozent über ein institutionalisiertes Programm zur internen Identifikation und Bindung von ‚High Potentials‘ verfügen, die als Nachfolger für das Management aufgebaut werden. Vier von fünf Befragten sind der Meinung, dass die Nachfolgeplanung heute deutlich wichtiger genommen wird als vor fünf Jahren. Dennoch denkt ein Drittel, dass nicht intensiv genug nach internen Nachfolgern gefahndet wird.

„Unternehmen, gerade größere Konzerne, haben in den vergangenen Jahren intensiv in das so genannte ‚Succession Management‘ investiert. Auch, aber nicht nur aufgrund des Fachkräftemangels haben sie erkannt: Für viele Positionen gibt es die geeigneten Nachfolger bereits im Unternehmen. Eine externe Besetzung wird dagegen immer öfter zur zweiten Lösung. Auch weil es die notwendigen Kandidatinnen und Kandidaten am Markt oft nicht gibt“, erklärt Christoph Mât, Leiter Assessment & Succession bei Korn Ferry in Berlin.

Bei den Firmen, die ein aktives Nachfolge-Programm unterhalten, setzt sich die Identifikation von künftigen ‚High Potentials‘ wie folgt zusammen: 38 Prozent ermuntern ihre Führungskräfte, ihre Nachfolger zu identifizieren. 28 Prozent richten sich nach vorhandenen Daten, die über die Performance möglicher Kandidaten Aufschluss geben. 13 Prozent nutzen ein fundiertes Assessment. Und in fünf Prozent der Fälle können Kandidaten sich selbst vorschlagen.

„Das Führungspotenzial eines Mitarbeiters lässt sich sehr frühzeitig erkennen. Unternehmen, die dieses so schnell es geht identifizieren und potenzielle Nachfolger bereits nach ihrem Berufseinstieg anfangen zu entwickeln, haben auch die größte Möglichkeit, diese zu prägen und damit zu binden. Denjenigen, die sich erst sehr spät damit beschäftigen, wer einmal das Zeug für Mehr hat, drohen wichtige Talente verloren zu gehen“, warnt Mât.

 

Jan Friedrich, Experte für Unternehmensnachfolge im Mittelstand und Vice President Field Marketing Central Europe bei Sage: „Die Studien zeigen, dass es in Sachen Unternehmensnachfolge kurz vor zwölf ist. Der Mangel an Nachfolgern bedroht viele Mittelständler in ihrer Existenz – und damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft mit mehr als einer Million Arbeitsplätzen.“

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