Arbeitsmarkt/Ungleichheit (Teil 2)

„Deutschland kommt nicht vom Fleck“

Ausgabe-Nr.: 3/
2020

In ihrer aktuellen Studie ‚Equal Pay 2020‘ ermittelte die Vergleichs­plattform Gehalt.de aus 76.530 Datensätzen eine gravierende Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen. Sie fiel wenig überraschend zu Ungunsten der Letzteren aus. Um der Gerechtigkeit Genüge zu tun, gilt es, vor allem weibliche Mitarbeiter gezielt zu fördern und objektive Bewertungskriterien für Bewerber festzulegen. Der IT-Dienstleister Atos verbessert seine Geschlechter-Parität zum Beispiel durch ein spezielles Führungskräfte-Programm.

Laut Gehalt.de verdienen Frauen in Deutschland insgesamt rund 23,5 Prozent weniger als Männer. Arbeitnehmerinnen beziehen 35.334 Euro und Männer 46.212 Euro im Jahr. Wenn die Analysten die Bedingungen berücksichtigen, unter denen weibliche und männliche Beschäftigte arbeiten, ergibt sich eine bereinigte Entgeltlücke von minus 7,5 Prozent* (-> Tabelle 2). Diese prozentualen Werte stimmen mit den Ergebnissen des DIW in etwa überein (-> 21 Prozent und sechs Prozent, Artikel Teil 1). „Der unbereinigte Gender Pay Gap benennt keine einzelnen Einflussfaktoren wie die Ausbildung oder die Berufserfahrung der Beschäftigten. Er zeigt aber die strukturellen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Der bereinigte Wert hingegen steht für die unerklärbare Lücke”, erklärt Philip Bierbach, Geschäftsführer der Gehalt.de GmbH in Hamburg.

Im Regionalvergleich liegt die niedrigste unbereinigte Entgeltlücke in Berlin vor (minus 11,8 Prozent). Auch in den anderen östlichen Bundesländern wie in Brandenburg (minus 12,7 Prozent) oder Mecklenburg-Vorpommern (minus zwölf Prozent) ist sie vergleichsweise gering. Am höchsten ist der Wert in Baden-Württemberg (minus 21,4 Prozent). „Mit steigendem Gehaltsniveau finden wir auch eine höhere Entgeltlücke vor. So sind die Gehaltsdifferenzen zwischen Frauen und Männern in den östlichen Bundesländern schwächer ausgeprägt, da hier auch generell niedrigere Einkommen als in anderen Regionen vorliegen“, erläutert Bierbach.

Unter den Berufsgruppen stellten die Analysten die größten Abweichungen im Kundendienst fest: Hier beträgt der bereinigte Gender Pay Gap minus 12,6 Prozent. In der IT liegt er bei minus 6,6 Prozent und im Vertrieb bei minus 9,3 Prozent (-> Tabelle 3). Weiterhin ist die bereinigte Lücke in kleinen Firmen generell ausgeprägter als in großen Unternehmen. So beträgt der Gender Pay Gap in Konzernen mit über 5.001 Mitarbeitern minus 4,6 Prozent und in kleinen Unternehmen mit höchstens 100 Mitarbeitern minus 8,2 Prozent.

Ansätze zur Behebung der andauernden Ungleichheit: Ein gelungenes Beispiel für eine Initiative, mit der Frauen für Führungs-Positionen gewonnen werden konnten, liefert der IT-Dienstleister Atos. Das Unternehmen konnte mit einem gezielten Förderprogramm und einer Nachfolge-Planung innerhalb von zwölf Monaten messbare Erfolge erzielen. Wie viele Technologie-Unternehmen ist auch der IT-Anbieter mit einem Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern konfrontiert (31 Prozent Frauenanteil). Im Rahmen der Initiative ‚Women Who Succeed‘ werden Manager dazu angeregt, passende Kandidatinnen zu nominieren. Diese können dann ein Jahr lang von einem Angebot an Führungsausbildung, Peer-Mentoring und Netzwerkbildung profitieren. Das Programm ist nach dem Erfahrungsniveau der Teilnehmerinnen in drei Gruppen unterteilt: aufstrebende Führungskräfte, mittlere und leitende Angestellte.

Atos arbeitete mit dem Corporate-Learning-Spezialisten Skillsoft zusammen, um die Inhalte für das Förderprogramm zur Verfügung zu stellen. Jeden Monat erhielten die Teilnehmerinnen Videos, Buchzusammenfassungen, Online-Schulungen und Reflexionsübungen, die sich auf bestimmte Kompetenzen konzentrierten. Zu den Schulungs-Schwerpunkten gehörten unter anderem Themen wie Verhandlungsgeschick und Risikobereitschaft. Der erste Jahrgang mit 186 Teilnehmerinnen startete im Januar 2019 und ist nun abgeschlossen. Ziel des Programms war es, dass 70 Prozent der vorgeschlagenen Kandidatinnen es erfolgreich absolvieren. Diese Marke wurde mit einer Abschlussquote von 74 Prozent erreicht. Mehrere Frauen sollen bereits für neue Positionen nominiert und befördert worden sein.

Um den Gender Pay Gap generell zu reduzieren, muss der Kreislauf aus Erwartungen und stereotypen Einstellungen durchbrochen werden. Etwaige Maßnahmen wären beispielsweise mehr Partnermonate beim Elterngeld, die Einführung einer Familien-Arbeitszeit oder eine Reform des Ehegatten-Splittings. Eine weitere heiß diskutierte Möglichkeit stellt die Standardisierung der Personalauswahl durch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) oder diagnostische Systeme dar. Darüber hinaus muss eine Sensibilisierung der Führungsebene erfolgen, die eine Stellenbesetzung auf der Grundlage von objektiven Kriterien durchzuführen hat.

Insgesamt tritt Deutschland bei der Verkleinerung der Gehaltslücke auf der Stelle. Im ‚Women in Work Index 2020‘, den die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) zum Internationalen Frauentag am 8. März veröffentlichte, fällt die Bundesrepublik um drei Plätze zurück und liegt nur noch auf Rang 21 von 33 OECD-Ländern. „Beim geschlechtsspezifischen Lohngefälle kommen wir seit 20 Jahren nicht vom Fleck, während andere europäische Länder an uns vorbeiziehen“, kommentiert Petra Raspels, die den Bereich People & Organisation bei PwC Deutschland in Düsseldorf verantwortet.

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*Zur Methodik der Studie: Das Vergleichsportal Gehalt.de untersuchte 76.530 Vergütungsangaben von deutschen Beschäftigten und berücksichtigte hierbei Parameter wie Geschlecht, Ausbildung, Alter, Berufserfahrung, Anforderungsniveau, Region, Unternehmensgröße, Branche und Berufsgruppe. Rund 39 Prozent der Umfrageteilnehmer sind weiblich und 61 Prozent männlich. Zudem ist ein Großteil Fachkraft (92 Prozent). Die restlichen Arbeitnehmer (acht Prozent) bekleiden eine Führungsposition.

 

Petra Raspels, Bereich People & Organisation bei PwC Deutschland: „Beim geschlechtsspezifischen Lohngefälle kommen wir in Deutschland seit 20 Jahren nicht vom Fleck, während andere europäische Länder an uns vorbeiziehen.“

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