Arbeitsmarkt/Ungleichheit (Teil 1)

Langsamer Wandel

Ausgabe-Nr.: 3/
2020

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung konstatiert einen schwerfälligen Aufwärtstrend bei der Besetzung von Führungsposition mit Frauen. Das Umdenken in deutschen Führungsetagen geht nur schleppend voran. Immerhin gibt es nun schon über Jahre hinweg einen positiven Trend. Damit nicht genug: In Sachen Vergütung sind Mitarbeiterinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen weiterhin deutlich im Nachteil (Stichwort: Gender Pay Gap).

„Trotz der zuletzt positiven Entwicklung in den Vorständen kann noch keine Rede davon sein, dass in sämtlichen Chef­etagen das Umdenken begonnen hätte. Bei genauerem Hinsehen vollzieht sich die Entwicklung in den Chefetagen nach wie vor auf einem extrem niedrigen Niveau. Vor allem, wenn man mehrjährige Zeiträume betrachtet. Die Parität der Geschlechter in den Vorständen der größten Unternehmen in Deutschland ist nach wie vor in weiter Ferne“, schildert Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) in Berlin, die derzeitige Lage.

Der Frauenanteil in den Vorständen großer deutscher Unternehmen ist im Jahr 2019 erneut gestiegen. Das geht aus dem neuesten Managerinnen-Barometer des DIW hervor. Demnach knackten die 200 umsatzstärksten Unternehmen erstmals die Zehn-Prozent-Marke: 94 von 907 Vorstandsposten entfielen auf Frauen. Das entspricht einem Anteil von 10,4 Prozent. 2018 waren es noch neun Prozent und 2006 gerade einmal 1,2 Prozent (-> Tabelle 1). Auch bei den größten börsennotierten und bei den Unternehmen mit Bundesbeteiligung zeigt sich eine „dynamischere Entwicklung“ im Vorstand.

In den Aufsichtsräten sind Frauen immerhin schon mit 28,2 Prozent vertreten (2006: 7,8 Prozent) (-> Tabelle 1). Innerhalb von 13 Jahren wurde somit eine Erhöhung der Frauenquote um 20,4 Prozent erreicht. Wenn dieses Tempo in etwa beibehalten wird, würde es insgesamt also rund 30 Jahre dauern, bis eine völlige Ausgeglichenheit zwischen männlichen und weiblichen Aufsichtsräten besteht. Eine doch relativ lange Zeit für ein in Deutschland mit wenig Entscheidungsgewalt ausgestattetes Amt.

DAX-Konzerne nehmen eine Vorreiterrolle ein.

Laut den Analysten könnte sich 2019 im Nachhinein als das Jahr herausstellen, in dem eine nachhaltig höhere Dynamik auf dem Weg zu mehr Frauen in Führungs-Positionen einsetzte. Mit dem Software-Konzern SAP berief erstmals ein DAX-30-Unternehmen eine Frau (Jennifer Morgan) an seine Vorstandsspitze (-> INFO-MARKT-E-Paper-Ausgaben IT-/MFP-/Drucker@Markt Nr. 37/2019 und 39/2019). Die Organisations- und Personalberatung Korn Ferry untermauert die Vorreiterrolle dieser Konzerne. In ihrer Untersuchung sind durchschnittlich 33 Prozent der Aufsichtsrats-Mitglieder in DAX-Unternehmen Frauen. Dementsprechend erfüllen vier von fünf DAX-Konzernen die gesetzlich vorgeschriebene Quote. Der einzige Haken an der Sache: Nur wenige Frauen besetzen bisher herausgehobene Posten (Stichwort: Vorsitze).

Außerhalb der Unternehmenswelt gab es mit Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionspräsidentin und Christine Lagarde als neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank andere Beispiele, in denen es Frauen nach ganz oben schafften. Das DIW-Managerinnen-Barometer bestätigt, dass abseits „solcher Schlaglichter“ die Frauenanteile in den Spitzengremien der Wirtschaft auch in der Breite zugenommen haben.

So verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die gesetzliche Geschlechterquote für Aufsichtsräte, an die gut 100 Unternehmen in Deutschland seit dem Jahr 2016 gebunden sind, mehr und mehr auf die Vorstände ausstrahlt: Unter den Top-200-Unternehmen ist der Frauenanteil im Vorstand jener Unternehmen, die der Quoten-Regelung für Aufsichtsräte unterliegen, im vergangenen Jahr deutlich von acht auf 12,3 Prozent gestiegen.

Zudem offenbaren Interviews mit insgesamt 60 Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräten, die im Rahmen eines Forschungsprojekts der Freien Universität Berlin geführt wurden, dass Aufsichtsrats-Mitglieder in vielerlei Hinsicht die Besetzung von Vorstands­posten beeinflussen können. So sind sie beispielsweise direkt an Personal-Entscheidungen beteiligt oder legen Zielgrößen für den Frauenanteil in Vorständen fest. „Vielerorts schöpfen Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräte ihre Möglichkeiten aber (noch) nicht vollends aus. Weiterer politischer und gesellschaftlicher Druck könnte ihnen den Rücken stärken und sie zu weitergehenden Maßnahmen ermuntern“, betont Anja Kirsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Professur für Personalpolitik an der Freien Universität Berlin.

Darüber hinaus sind nach Ansicht der Forscher auch neue Formen der Arbeits-Organisation nötig, um mehr Frauen in Führungs-Positionen zu etablieren. Vor allem die Erwartungen gegenüber Personen in hohen Posten gehören auf den Prüfstand: „Ist es wirklich notwendig, dass diese Stellen mit einer so enormen Arbeits- und zeitlichen Belastung einhergehen? Oder ließe sich das auch anders organisieren? Wenn sich hier etwas verändert, dann würde vermutlich der Frauenanteil in diesen Positionen nachhaltig steigen. In eigenem Interesse, etwa um einer gesetzlichen Quote für Vorstände zuvorzukommen und um den künftigen Bedarf an Fachkräften zu sichern, sollten die Unternehmen hier ansetzen“, rät Wrohlich.

Bezüglich der Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern erhob das DIW ebenfalls eindeutige Zahlen. Der sogenannte Gender Pay Gap variiert stark mit dem Alter der Beschäftigten: Während die Lohndifferenz bei Beschäftigten bis zu einem Alter von 30 Jahren mit neun Prozent noch vergleichsweise klein ist, steigt diese Lücke ab dem 30. Lebensjahr erheblich an und liegt zwischen 49 Jahre alten Frauen und Männern bei 28 Prozent und damit weit über dem Durchschnitt von rund 21 Prozent (-> Grafik 1). Die Haupt­ursache für dieses Muster sind die sehr unterschiedlichen Erwerbsbiografien von Frauen und Männern. Familienbedingt pausieren Frauen ab einem Alter von 30 Jahren häufig zumindest vorübergehend von ihrem Job und reduzieren die Arbeitszeit.

Doch auch wenn Unterschiede in den Erwerbsbiografien von Männern und Frauen berücksichtigt werden, indem man beispielsweise nur die Gehälter derjenigen Frauen und Männer miteinander vergleicht, die ununterbrochen in Vollzeit erwerbstätig waren, verbleibt eine Verdienstlücke von rund sechs Prozent. Mögliche Erklärungen für diesen bereinigten Gender Pay Gap sind offene oder subtile Formen der Diskriminierung oder geschlechterstereotype Vorstellungen (-> Gender Pay Gap im folgenden Artikel).

 

Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am DIW: „Die Parität der Geschlechter in den Vorständen der größten Unternehmen in Deutschland ist nach wie vor in weiter Ferne.“

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