E-Commerce-Geschäft

Corona als Katalysator

Ausgabe-Nr.: 17/
2020

Das E-Commerce-Geschäft gewinnt in der Corona-Pandemie deutlich an Boden. Die Giganten dieser Branche greifen dabei mit einem zunehmenden Produkt-Angebot auch den mittelständischen Fachhandel in der ITK-Branche an und erzielten seit März dieses Jahres exorbitant hohe Zuwachsraten. Der Fachhandel verfügt zwar über sehr gute Chancen, sich mit ausgesuchten Sortiments-Bereichen an diesem Geschäft zu beteiligen. Doch Unternehmer, die weiterhin ausschließlich den stationären Handel favorisieren, lassen sich oft genug die Butter vom Brot nehmen und laufen Gefahr, völlig abgehängt zu werden.

„Verbraucher nennen oft die persönliche Beratung als wichtigen Vorteil des stationären Handels gegenüber dem Online-Handel. Dabei gibt es digital noch ungenutztes Potenzial, das sich niederschwellig bei kleinen Unternehmen implementieren lässt. Etwa Chat-Funktionen auf der eigenen Internet-Seite. Denn die Kunden beteiligen sich gern aktiv an Optimierungs-Prozessen, indem man ihnen die Möglichkeit bietet, in Kommentar-Spalten ihre Anliegen und ihre Erwartungen vorzutragen“, sagt Florian Lange beim Bitkom e.V. in Berlin. Der Referent Handel und Logistik macht deutlich, dass digitale Vertriebskanäle kein Hexenwerk sind und auch kleine Anbieter mit relativ bescheidenen Mitteln eine Online-Präsenz zeigen können.

Den eingeschränkten Möglichkeiten der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) steht ein vergleichsweise riesiger Markt gegenüber. Im letzten Jahr legte dieser Bereich um 8,5 Prozent auf fast 58 Milliarden Euro zu. Nach einer Erhebung des EHI Retail Institute und Statista generierten die Top-100-Onlineshops in Deutschland einen E-Commerce-Umsatz* in Höhe von 33,6 Milliarden Euro in 2018 (-> Grafik 1).

Bei einer vorsichtigen Schätzung von einem Anteil von nur schlappen 2,5 Prozent am Marktvolumen des E-Commerce gehen dem stationären ITK-Fachhandel jährlich rund 1,4 Milliarden Umsatz an der Nase vorbei.

Das ist ein Umsatz-Anteil von beachtlichen 73,1 Prozent und bedeutet eine Steigerung von 10,2 Prozent gegenüber dem Vorjahres-Zeitraum. Die zehn größten Anbieter schneiden sich mit einem gemeinsamen Erlösanteil von 40,3 Prozent (18,8 Milliarden Euro) die größten Stücke aus diesem Kuchen heraus. Die Werte verdeutlichen die Marktdominanz und den führenden Marktplatz von Amazon, Otto oder Zalando.

Als problematisch bewerten wir die Haltung derjenigen Fachhändler, die die genannten Plattformen verstärkt als zusätzlichen Vertriebskanal für den Abverkauf ihrer Waren nutzen. Denn das ist ein zweischneidiges Schwert: Sie vergrößern dadurch die beherrschende Marktstellung ihrer Kooperationspartner und begeben sich zudem in eine wachsende Abhängigkeit; von dem potenziellen Missbrauch erst gar nicht zu reden.

Beim Bitkom stellt man sich nicht so kritisch wie der INFO-MARKT auf. „Viele kleinere Händler profitieren von Online-Plattformen, da dort direkt ein deutlich größerer Kundenkreis angesprochen werden kann und bereits vorgefertigte Vertriebskanäle bestehen. Für viele stationäre Händler führt der Weg zu einer langfristigen Online-Präsenz meist über diese Plattformen. Eine gewisse Marktdominanz im Online-Handel muss nicht zwingend schädlich für den E-Commerce sein, sondern kann zu mehr Wettbewerb und mehr Wahlfreiheit für die Kunden führen“, betont Bitkom-Experte Lange.

In diesem Jahr wird das E-Commerce-Geschäft erheblich an Dynamik gewinnen. Das zeigen die Zahlen aus dem 1. Quartal 2020. Der Nettoumsatz von Amazon kletterte in diesem Zeitraum um 26 Prozent auf 75,5 Milliarden US-Dollar an (1. Quartal 2019: 59,7 Milliarden US-Dollar). In der aktuellen Krise bestellte eine Vielzahl von neuen Kunden online. Die werden sicherlich künftig zum großen Teil nicht wieder an den heimischen Herd eines stationären Fachhändlers zurückkehren.

Dass gegenwärtig ein sehr spürbarer Ruck durch den Internet-Handel geht, belegt überdies eine Auswertung der Creditreform Boniversum GmbH. Denn der E-Commerce in Deutschland verzeichnete allein im Zeitraum vom 23. bis zum 29. März 2020, also während des Lockdown, über alle Branchen hinweg sage und schreibe 70 Prozent mehr Kaufabsichten.

Interessant ist daher die Frage, wie groß das anteilige Marktvolumen von rund 58 Milliarden US-Dollar ist, das die Big Player mit ihrem Sortiment aus der ITK-Branche absaugen. Darauf konnte uns bisher kein Markt-Beobachter eine seriöse Antwort geben. Aber bei einer vorsichtigen Schätzung von nur schlappen 2,5 Prozent gehen dem stationären ITK-Fachhandel jährlich rund 1,4 Milliarden Euro Umsatz an der Nase vorbei.

Sehr hilfreich für eine derartige Beurteilung ist auch der Blick in das sogenannte Business-Segment von Amazon. MFP- und Drucksysteme, Scanner, Aktenvernichter, Desktop-PCs, Laptops, Tablets, Monitore, Computer-Zubehör sowie -Komponenten, Datenspeicher, Software, Smartphones, Festnetz-Telefone, Kameras, Projektoren und jede Art von Büromöbel (auch Komplett-Sets) sind dort erhältlich.

Bemerkenswert ist auch die Liste der Lieferanten, die sich bei dem amerikanischen Online-Player die Klinke in die Hand geben. Zu dem „who-is-who“ der Branche zählen Bosch, Brother, Canon, Dell, Epson, Fujitsu, HP, Huawei, Konica Minolta, Kyocera, Lenovo, Lexmark, Microsoft, OKI, Ricoh, Samsung, SAP, Sharp, Siemens und Xerox.

Auch im Hinblick auf die Verbrauchs- und Büro-Materialien offeriert der Marktplatz eine attraktive Auswahl. Tintenpatronen, Toner, Büropapiere und ein riesiges PBS-Sortiment von nahezu allen Herstellern können zu Preisen erworben werden, bei denen dem klassischen Fachhandel die Schuhe wegfliegen. Ein Beispiel: Ein Toner-Set von 30 Patronen für Canon-Geräte der Pixma-Serie lässt sich online für 24,95 Euro bestellen.

„Die aktuelle Situation zeigt einmal mehr, dass der Online-Handel ein fundamentaler und zukunftssicherer Vertriebskanal ist.“

Nach den Erfahrungen von Maike Verkühlen, Head of UX bei der E-Commerce-Agentur best it AG in Velen, sind zwischen 20 und 30 Prozent Zuwachs bei der Conversion Rate möglich. Diese Chance ist aber noch nicht bei allen Shop-Betreibern angekommen: „Die Händler sind zu langsam, schnell zu werden. Noch herrscht vielfach das Denken vor, ein eigener und technisch solide aufgesetzter Webshop sei bereits ausreichend“, behauptet die Expertin.

Doch wo liegt eigentlich die preisliche Schmerzgrenze, damit ein Fachhandels-Unternehmen seinen Verkäufern in die Parade fährt, wenn sie ein Produkt im Face-to-face-Modus an den Anwender bringen? Die von uns befragten Experten ziehen derzeit die Grenze bei 500 Euro. Erwähnenswert daher, dass bei Amazon der Scanner s2060 von Kodak-Alaris für 969 Euro angeboten wird.

Wie auch immer: Diejenigen, die jetzt in der Krise ganz schnell einen Online-Handel parallel hochgezogen haben, erkennen die Zeichen der Zeit und werden auf diesem Weg weiter fortfahren. „Ich halte es für wichtig, dass dieser neue Vertriebsweg den stationären Handel verstärkt. Die Gelegenheit, sich über E-Commerce einen Markt-Anteil zu verschaffen, ist zwar deutlich gesunken, aber es ist trotzdem immer noch möglich“, bewertet ein Branchenkenner die derzeitige Situation.

„Wir unterstützen unsere Mitglieder im Online-Geschäft mit einem sehr breiten und tiefen Produkt-Portfolio. Auf der Beschaffungsseite stellen wir den Händlern spezielle Tools und Online-Marktplätze zur Verfügung. Damit gewährleisten wir die Aktualität der Produkt-, Verfügbarkeits- und Preis-Informationen, verbunden mit qualitativ hochwertigen Artikelstammdaten“, erklärt Christof Rösch, Leiter des Geschäftsfelds Drucken & Kopieren bei der Soennecken eG in Overath, die Maßnahmen, um den Genossen bei diesem Thema unter die Arme zu greifen.

Darüber hinaus bieten die Overather offene und geschlossene Webshop-Lösungen (SoCommerce und SoProcure) an, welche den speziellen Beschaffungs-Bedarf in den Segmenten IT und Büro-Technik bedienen. „Die Kombination der persönlichen Ansprache mit den digitalen Beschaffungs- und Verkaufs-Möglichkeiten ist die große Chance, die der Handel für sich nutzen kann – und auch nutzt“ (Rösch).

Bitkom-Referent Lange stößt in das gleiche Horn. Er hält vor allem Transparenz für ein wichtiges Kriterium im Online-Handel und rät den Akteuren, „ihren Kunden so viele Informationen wie möglich zu ihrem Unternehmen, den Produkten, der Vermarktung und der Logistik zukommen zu lassen“. Eine breite Auswahl an Zahlungs-Optionen hilft, sich an die unterschiedlichen Shopping-Gewohnheiten von Verbrauchern anzupassen. Anwender wissen besonders bei kleineren Playern einen kundennahen Verkaufsablauf zu schätzen.

Ein herausragendes Beispiel für einen gelungenen Internet-Auftritt liefert die Böttcher AG. Der Onlinehändler aus Jena erzielte im April 2020 in seinem Webshop mit über 250.000 Besuchern an einem Tag den höchsten Tagesumsatz der Unternehmensgeschichte. „Die aktuelle Situation zeigt einmal mehr, dass dies ein fundamentaler und zukunftssicherer Vertriebskanal ist“, erklärte Vorstand Udo Böttcher gegenüber der Öffentlichkeit.

Ein Fazit: Der geneigte Fachhändler tut sicherlich gut daran, wenn er sich im zukunftsträchtigen E-Commerce-Business nicht zum Jagen tragen lässt. Mitbewerber wie Staples und Viking konnten in der Vergangenheit ohnehin millionenschwere Breschen in sein traditionelles Geschäft schlagen. – Wir setzen die Berichterstattung mit Wort-Meldungen von Fachhandels-Unternehmern fort, die in diesem Bereich erfolgreich unterwegs sind und über einschlägige Erfahrungen verfügen.

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* Definition E-Commerce-Umsatz: In Deutschland generierter Nettoumsatz des jeweiligen Online-Shops im Jahr 2018, bereinigt von Retouren, exkl. Umsatzsteuer und nur aus der reinen Geschäftstätigkeit des Online-Shops (ohne sonstige betriebliche Erträge des Unternehmens).

 

Bitkom-Referent Florian Lange: „Es gibt digital noch ungenutztes Potenzial, das sich auch niederschwellig bei kleinen Unternehmen implementieren lässt, wie zum Beispiel Chat-Funktionen auf der eigenen Internet-Seite.“

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