Adveo

Heller Aufruhr

Ausgabe-Nr.: 10/
2018

Die deutsche Tochtergesellschaft des größten PBS-Großhändlers in Europa befindet sich in einer Schieflage. Denn: Die bisher missratene Einführung eines SAP-Warenwirtschafts-Systems löst erhebliche Lieferengpässe bei der Versorgung mit Toner- und Tinte aus, in der Chefetage geben sich die Manager die Klinke in die Hand, die finanzielle Lage führt zu einer Standort-Schließung in Bayern und die Stimmung unter den Mitarbeitern ist so miserabel, dass dort Zweifel entstehen, ob das „sinkende Schiff noch zu retten ist“.

 

Anfang dieses Jahres trat Sven Pelka seine Position als neuer Geschäftsführer bei der Adveo Deutschland GmbH in Sehnde bei Hannover an. Er löste damit Susanne Möcks-Carone ab. Die Interims-Geschäftsführerin musste Mitte Oktober letzten Jahres nach dem Ausscheiden von Geschäftsführer Detlef Hentzel diese Aufgabe vorübergehend übernehmen. Der trat im Oktober 2017 aus „persönlichen Gründen“ von seinem Posten zurück.

Im deutschen Adveo-Hauptquartier geben sich neuerdings wechselnde Geschäftsführer die Klinke in die Hand. Mit Pelka als jüngstem Zugang ist die Hoffnung verbunden, eine drohende SAP-Investitionsruine zu verhindern und das System zum reibungslosen Laufen zu bringen. Immerhin: Der neue Chef belegte an der Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelms­haven das Studienfach Business Information Technology und verfügt damit zumindest über ein akademisches Basiswissen.

Pelka will sich, so heißt es in einer offiziellen Verlautbarung, „zunächst auf die Optimierung des kürzlich eingeführten Warenwirtschaftssystems SAP konzentrieren und anschließend neue und verbesserte Vertriebs- und Marketingkonzepte, insbesondere zur Unterstützung des Fachhandels, entwickeln und implementieren“. Zum anderen will er die Umsetzung des Adveo-Strategieplans 2017 bis 2020 fortführen, an dem sich schon seine Vorgänger abgearbeitet haben. Hinter dieser wohlgesetzten Formulierung aus der PR-Abteilung verbirgt sich ein riesiges Problem: Pelka ist als Trouble Shooter engagiert.

Indes droht der neue Adveo-Manager offenbar in einem fast unüberwindlichen Chaos zu versinken. Ein zentrales Problem ist die Einführung eines Warenwirtschafts-Systems der SAP Deutschland SE & Co. KG in Walldorf. Seitdem man sich um die Erledigung dieser Aufgabe bemüht, ist die deutsche Adveo nur noch am Rotieren. „Es gibt erhebliche Lieferschwierigkeiten, die uns Kopfzerbrechen bereiten und uns viel Ärger mit unseren Kunden einbringen“, lautet noch ein vergleichsweise freundlicher Kommentar der von uns befragten Fachhändler.

Die Konfusion bei der Einführung neuer Warenwirtschafts-Programme scheint zu den Ritualen zu gehören, die die Software-Branche mit ihren Kunden unter Entstehung teils immenser Kosten immer wieder zelebriert. Angefangen bei den Branchen-Größen wie SAP oder Oracle bis hin zu den kleineren Software-Anbietern, die in den mittelständischen Fachhandelsunternehmen oft genug einen riesigen Flurschaden anrichten und die betroffenen Verantwortlichen in die Verzweiflung treiben (-> Kasten auf Seite 2).

Die prekäre Lage von Adveo schlägt sich auch auf die Stimmung der Belegschaft nieder. So fallen Bewertungen der Mitarbeiter auf Online-Portalen fast durchgehend negativ aus. Für das Verhalten der Vorgesetzten sowie für die allgemeinen Arbeitsbedingungen finden genervte Mitarbeiter deutliche Urteile: Ein Ex-Angestellter: „Das Unternehmen ist führungslos und die Marketing-Leitung ist ein Grauen.“ Ein anderer Nutzer schreibt: „Hier werden in Jahrzehnten gewachsene Strukturen nicht neu geordnet. Man zerschlägt diese in nur wenigen Monaten.“ Die weiteren Kommentare: „Vom Vorgesetzten wird nur Druck aufgebaut, aber es gibt kein Feedback – Weiterbildung wird nicht angeboten. – Man muss mit einer veralteten Technik das Beste herausholen. – In unserer Region gilt Adveo als der schlechteste Arbeitgeber. – Ein paar Kollegen versuchen noch das sinkende Schiff zu retten.“ Mit anderen Worten: In Sehnde brennt offenbar die Hütte.

Wie hoch die Flammen bereits aus dem Dachstuhl schlagen, wurde am Logistikstandort in Winkelhaid (Bayern) sichtbar. Einen Tag vor Auszahlung des Weihnachtsgeldes im letzten Jahr mussten sich die Mitarbeiter mit der Aussetzung der Gratifikation abfinden. Adveo Deutschland durchlaufe „eine sehr schwierige finanzielle und wirtschaftliche Phase“, lautete die Erklärung. Man werde deshalb die Auszahlung des Weihnachtsgeldes auf Mitte nächsten Jahres verschieben, hieß es in einem Schreiben an die Belegschaft.

61 Adveo-Mitarbeiter werden aufgrund der Standort-Schließung am 30. Juni 2018 auf die Straße gesetzt

Doch es kommt noch schlimmer: Die Adveo-Niederlassung macht dicht. 61 Mitarbeiter werden am 30. Juni 2018 auf die Straße gesetzt. Im Headquarter wird das Drama den Adveo-Kunden als „ein Schritt vorwärts im Prozess zur Effizienzsteigerung“ verkauft und aus „wirtschaftlichen, produktiven und organisatorischen Gründen“ als gerechtfertigt dargestellt. Den Fokus seiner Logistik-Aktivitäten will das Unternehmen daher zukünftig auf Sehnde legen.

In Deutschland wurde Adveo 2011 aus den zwei Unternehmen Spicers und Adimpo gegründet. Beide mit ihren jeweiligen Geschäftsfeldern. In den zwei Kategorien, dem traditionellen Büro- und Schulbedarf und den Verbrauchsmaterialien (Toner und Tinte für den MFP-, Drucker- und Kopierer-Markt), bietet Adveo ein umfangreiches Sortiment und einen guten Service an. Die rund 300 Mitarbeiter bieten ihren Kunden im Fachhandel ein umfassendes Angebot in Handel, Distribution, Logistik und Marketing an. Aus den Logistikzentren bei Hannover und Nürnberg erfolgte in 24 Stunden eine Belieferung für ganz Deutschland und Österreich.

Die Adveo Deutschland GmbH gehört zur spanischen, börsen-notierten Adveo S. A. in Madrid. Nach eigener Darstellung ist der Konzern der größte PBS-Großhändler in Europa und auf dem Weg zur europäischen Plattform für Arbeitsplatz-Lösungen. „Wir sind die Marktführer und operieren mit einem logistischen Netzwerk mit zehn Distributions-Zentren in Spanien, Frankreich, Deutschland Italien, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Österreich und Portugal“, meldet das Unternehmen.

Nach uns vorliegenden Informationen bezifferten die Spanier ihren Gesamtumsatz in 2016 auf rund 731 Millionen Euro. Sie lagen damit weit von den Erlösen von 2012 mit 1,074,16 Millionen Euro entfernt. Das Netto-Ergebnis in 2016 gibt auch keinen Anlass für eine optimistische Betrachtung. Es steht mit einem Verlust von 35,75 Millionen in der Bilanz (-> Tabelle auf Seite 4). Adveo baut daher die Logistikstrukturen um: Zuletzt wurde in Italien und Spanien der Lagerbetrieb an externe Firmen vergeben. Und in Frankreich verkauften die Spanier ihr Lager für acht Millionen Euro an den Logistikdienstleister Idi Gazeley.

So verwundert es kaum, dass sich in der Branche Unruhe breitmacht. Denn, so die Befürchtung von Marktexperten, es könnten bei einem Ausfall von Adveo erhebliche Engpässe bei der Versorgung der Fachhandelsunternehmen und deren Kunden eintreten. Immerhin: Die deutsche Adveo erwirtschaftete 2017 einen Umsatz von über 187 Millionen Euro. „Wenn die in Sehnde vor die Pumpe laufen, sind nach unserer Meinung die Auffangmöglichkeiten durch andere Lieferanten derzeit nur eingeschränkt vorhanden“, erklärt uns ein Marktbeobachter.

 

 

Adveo-Geschäftsführer Sven Pelka: Die prekäre Lage schlägt sich auch auf die Stimmung der Belegschaft nieder. Die Bewertungen der Mitarbeiter auf Online-Portalen sind fast durchgehend negativ.

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