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KYOCERA DOCUMENT SOULTIONS

Alles eine Frage der Perspektive

Interview mit Dietmar Nick, CEO von Kyocera
Dietmar Nick, CEO von Kyocera Document Solutions Deutschland:

„Was unsere Industrie betrifft, sehe ich jetzt keine Kaufzurückhaltung im klassischen Umfeld, also bei Druck und Kopie, ich sehe eine Verunsicherung beim Thema Digitalisierung.“

Durch die Fokussierung auf Qualität, Nachhaltigkeit und Kundenzufriedenheit hat sich Kyocera Document Solutions in den vergangenen Jahren eine starke Marktposition erarbeitet und konnte kontinuierlich wachsen. So steuert das in Meerbusch ansässige Unternehmen knapp 10 Prozent zum Konzernumsatz und mehr als 25 Prozent zum europäischen Umsatz bei. Um seine führende Rolle zu behaupten, muss sich Kyocera auch in Zukunft den Herausforderungen des hoch kompetitiven MFP- und Drucker-Marktes stellen und innovative Lösungen für das Segment Production Printing anbieten.

INFO-MARKT Chefredakteur Dr. Alfried Große sprach mit Dietmar Nick, CEO der Kyocera Document Solutions Deutschland GmbH, über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die aktuelle Marktsituation und die Herausforderungen der nächsten Jahre.
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Alfried Große: Es gibt nicht wenige Marktauguren und Medien, die das Schreckgespenst des Niedergangs der deutschen Wirtschaft und der massenhaften Abwanderung von Unternehmen an die Wand malen. Sie sprechen fast täglich mit kleinen und großen Unternehmen. Spüren Sie diesen Negativtrend, oder ist das wieder nur hausgemacht von den Medien?
Dietmar Nick: Das ist immer relativ. Es kommt immer darauf an, wie der Einzelne das aufnimmt. Aber wenn ich auf die Masse schaue, dann machen wir uns in Deutschland schon schlechter, als wir sind, das hat etwas mit selbsterfüllender Prophezeiung zu tun. Und unsere Politik glänzt nicht gerade durch Geschlossenheit.

Wir kommen aus einer Situation, in der 16 Jahre lang unter Merkel Einigkeit geherrscht hat. Und jetzt haben wir zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine Dreierkoalition. Dass das an allen Ecken und Enden kantig wird, war klar. Dass die Kollegen von FDP, SPD und Grünen gerade bei Wirtschaftsthemen ihren Streit in der Öffentlichkeit austragen, ist sicher nicht förderlich.

Ich muss immer meine Einschätzung für die IHK abgeben: Ich würde sagen, insgesamt geht es uns noch gut, auch wenn ich bei den größeren Unternehmen eine gewisse Investitionszurückhaltung spüre, wenn es darum geht, neue Produktionsstätten zu bauen und zu investieren.

Was unsere Industrie betrifft, sehe ich nicht wirklich eine Kaufzurückhaltung im klassischen Umfeld, also bei Druck und Kopie, ich sehe eine Verunsicherung beim Thema Digitalisierung, weil es bei der Digitalisierung um alles oder nichts geht.

Im Moment ist fast alles digitale Transformation, und da merken wir schon, dass sehr viel Geld im Moment in die IT-Beschaffung, in die IT-Sicherheit abwandert. Das spüren wir am eigenen Leib. Seitdem wir bekannt gegeben haben, dass wir unser Geschäft in Russland aufgeben, haben wir mehr Angriffe auf unsere Webserver als vorher, kann Zufall sein, aber ich glaube nicht an Zufall, zu viele Angriffe, Phishingversuche, Zugriffsversuche auf Accounts.

Aber was die gesamtwirtschaftliche Situation angeht, da kann ich nur für uns selber sprechen, wir haben im Großen und Ganzen kein Fachkräfte­problem. Wir kämpfen ein bisschen mit diesem Thema Work-Life-Balance. Da gibt es ein gesellschaftliches Symp­tom, das mir ein bisschen Sorgen macht. Ich bin immer noch ein Traditionalist, der sagt, ich schulde meinem Unternehmen Arbeitszeit und nicht umgekehrt, und es heißt immer noch Work-Life-Balance und nicht Life-Work-Balance. Das verwechseln viele Leute.

Alfried Große: Sie machen sich also keine Sorgen um die Zukunft?
Dietmar Nick: Nicht wirklich, ich glaube nicht, dass die Regierung bei den nächsten Wahlen eine Zukunft haben wird. Das würde mich wundern.

Ich glaube, wir Deutschen sind nach wie vor sehr deutsch in unseren Entscheidungen. Wir sind zu grün, zu energiebewusst, und manchmal zu radikal, aber das ist so die deutsche DNA, die wir haben. Alles zu viel und zu schnell und am Ende des Tages ist es halt auch mit vielen Kosten verbunden.

Dietmar Nick, CEO von Kyocera, im exklusiven Interview

Alfried Große: Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass wir in den letzten Monaten mit Inflation und einem Rückgang des Bruttosozialprodukts zu kämpfen hatten. Wie hat sich das bei Ihnen auf die Kosten, auf die Profitabilität ausgewirkt?
Dietmar Nick: Das Positive ist erst einmal, dass die Inflation, getrieben durch Gaspreise und andere Dinge, wieder deutlich zurückgegangen ist. Wir sind allerdings ein tarifgebundenes Unternehmen. Das Negative ist, dass die Tarifabschlüsse auf der Basis dieser sehr hohen Inflation verhandelt und abgeschlossen wurden, das heißt, wir haben in einem Zeitfenster von zwei bis drei Jahren Lohnsteigerungen von über 10 Prozent durch die Tarifabschlüsse. Und das müssen wir erst einmal verdienen.

Es ist ja nicht so, dass wir hier alle aus goldenen Gläsern trinken. Also alles, was wir mehr ausgeben, müssen wir auch mehr verdienen. Jetzt bewegen wir uns aber in einem Markt, der ausschließlich verdrängt, der nicht diese hohe Innovationskraft hat, sondern wir bewegen uns in einem sehr traditionellen Markt. Ein großer Teil unseres Geschäfts ist Verdrängung und das ist natürlich sehr margenintensiv.

Die Margen sind sehr unter Druck und deswegen ist es für uns schwierig, diese Kostensteigerungen aufzufangen. Was die anderen Kosten angeht, Energiekosten usw., die sind jetzt wieder auf dem Niveau, wie es vorher war, plus/minus. Gott sei Dank haben wir hier Eigentum, das heißt, wir zahlen keine Miete, das macht es für uns einfacher, diese Kosten im Griff zu behalten. Die größten Themen sind eigentlich die Lohnerhöhungen.

Der Tarifabschluss bei uns im Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen liegt im zweistelligen Bereich plus einer Einmalzahlung von 1000 Euro pro Mitarbeiter. Das sind 300.000 Euro, die wir zusätzlich erwirtschaften müssen, weil die Gesellschafter, die hinter mir stehen, eine Renditeerwartung an Kyocera Deutschland haben. Das heißt, ich muss hier effizienter werden, und effizienter heißt am Ende des Tages, dass wir bestimmte Mitarbeiter, die uns verlassen, vielleicht nicht ersetzen oder günstiger ersetzen müssen, und das ist schon ein Thema, das uns umtreibt, wie wir damit langfristig umgehen.

Das Gute an der ganzen Thematik ist, dass die Zinsen gestiegen sind, auch wenn sie momentan wieder rückläufig sind. Wir sind ein eigenkapitalstarkes Unternehmen. Wir verleihen unser Geld innerhalb des Konzerns und da verdienen wir im Moment durch die steigenden Zinsen eigentlich ganz gut. Wir reden hier nicht von den nicht operativen Erträgen, da kann ich nicht klagen. Operativ sind wir tatsächlich ein bisschen unter Druck.

Alfried Große: Bei der Verfügbarkeit von Produkten möchte ich gar nicht so sehr über die Vergangenheit sprechen, sondern was mich viel mehr interessiert: Wenn man so etwas erlebt hat, wie stellt man sich darauf ein, dass so etwas nicht wieder passiert?
Dietmar Nick: Wir haben bei Kyocera einen großen Sprung in der Technologie unserer Produkte gemacht. Vor Corona hatten wir für jede Produktlinie eigene Chipsätze, die wir zugekauft haben und die bereits fertig konfiguriert waren. Unser langfristiger Plan war, von dieser Masse an Chipsätzen in den Produkten auf nur wenige Chipsätze, nennen wir es Plattformen, zu kommen. Das haben wir jetzt geschafft und diese Chipsätze können wir von mehreren Lieferanten beziehen, weil wir sie selbst konfigurieren.

Das heißt, bei allen neuen Produkten, die wir jetzt seit Corona auf den Markt gebracht haben, haben wir keine Verfügbarkeitsprobleme mehr. Bei den alten Systemen, wo wir Chipsätze auf dem freien Markt zukaufen, haben wir vor allem bei den kleinsten Produkten Probleme, weil die noch nicht neu entwickelt sind. Das Problem lösen wir erst im Herbst, weil wir bei diesen Chipsätzen auf einmal in Konkurrenz zu einem ganz großen Land stehen, das Krieg führt und diese Prozessoren für vermutlich verschiedene Waffensysteme braucht. Und da sind wir natürlich auf einmal in einer Situation, wo die Nachfrage sehr hoch ist und das Angebot etwas begrenzt ist, was wiederum hohe Preise bedeutet. Das hat dazu geführt, dass wir uns entscheiden mussten, bestimmte Produktlinien nicht mehr so stark zu produzieren, weil sie einfach nicht mehr kostendeckend produziert werden konnten. Als Reaktion auf diese Situation ändert sich das jetzt durch diese Plattformmodelle für unsere Chipsätze für unsere Drucker und Kopierer, die jetzt gegen Ende des Jahres auf alle Produktlinien ausgerollt werden.

Das ist erst mal eine gute Geschichte. Das Zweite ist, dass wir natürlich auf diese großen Themen von Covid, Quarantänesituationen, reagiert haben, indem wir unsere Produktion, die vor Covid nur in China war, jetzt auch nach Vietnam gespiegelt haben. Das heißt, wir haben zwei Produktionslinien, die wir parallel betreiben, und dementsprechend auch zwei Logistiklinien.

Da wir nicht wissen, welche logistischen Herausforderungen zukünftig noch auf uns zu kommen, haben wir auch schon angefangen, Tonerproduktionsstätten nach Europa zu verlagern. Wir haben eine Tonerproduktionsstätte in der Tschechischen Republik, die ursprünglich nur für eine Produktserie gedacht war. Die bauen wir jetzt auf für mehrere Produktserien.

Wir haben in der Corona-Zeit als Konzern einen Auftragsfertiger übernommen, der sozusagen Fabri­ken bauen kann, und einen Lohnfertiger, der produzieren kann. Und diese haben wir so fit gemacht, dass wir jetzt auch Kyocera-Produkte in Europa produzieren können, um von den Logistikketten unabhängig zu werden.

Alfried Große: Wie sieht die langfristige Vision von Kyocera in Deutschland aus, welche Rolle spielt Deutschland in der globalen Strategie von Kyocera?
Dietmar Nick: Wir reden hier in erster Linie über Document Solutions. Kyocera ist ja ein breit aufgestellter Konzern. Wir machen knapp 10 Prozent des Konzernumsatzes und etwas mehr als 25 Prozent des europäischen Umsatzes. Das ist schon ein großes Stück vom Kuchen.

Kyocera ist nach wie vor der Meinung, und deshalb bin ich seit 25 Jahren hier, dass man das lokale Geschäft von lokalen Managern leiten lassen soll. Das ist wirklich ein hohes Gut. Das weiß ich zu schätzen. Insofern hat Kyocera Deutschland – positiv gesehen – eine eigene Go-to-Market-Strategie. Kyocera Frankreich hat auch eine eigene Strategie. Das ist nicht immer deckungsgleich. Das macht es im Cross-Border-Geschäft manchmal schwierig, aber für den lokalen Markt ist das die nahezu perfekte Lösung. Generell haben wir die Kernentscheidung getroffen, dass wir mit derzeit drei Business Lines arbeiten.

Wir haben eine Business Line für traditionelle Druck- und Kopiersysteme. Wir haben eine Business Line, die sich mit Software und Digitalisierungssoftware beschäftigt, und eine Business Line, die für uns neu ist, die sich mit Produktionsdruck beschäftigt, und wenn man sich die drei anschaut, dann haben wir alle unterschiedliche Wachstumsszenarien für die nächsten Jahre.

Kyocera-Daten zur Nachhaltigkeit und Digitalisierung aus dem Interview mit Dietmar Nick

Alfried Große: Marktforscher sagen, im Office-Bereich wird bis 2027 mit einem durchschnittlichen Marktrückgang von 3 Prozent gerechnet.
Dietmar Nick: Für mich in Deutschland ist das völlig uninteressant, ob der Markt zurückgeht oder nicht, weil ich nur 20 Prozent Marktanteil habe. Wenn ich 100 Prozent hätte, wäre das ein Pro­blem. Bei 20 Prozent Marktanteil muss ich diese Organisation darauf ausrichten, Marktanteile zu halten und neue zu gewinnen. Das ist etwas, was wir in dieser Branche schon immer tun.

Wer die besseren Ideen, Konzepte, notfalls auch Preise hat, wird gewinnen, und deswegen ist mir dieser weltweite Trend, dass der Markt schrumpft, gelinde gesagt, egal. Es wird sich in Deutschland sicherlich der durchsetzen, der die bessere Marktansprache hat, der sich besser darauf einstellt, schneller, intelligenter, mit Lösungen und besseren Mitarbeitern, beim Endkunden zu sein und dort die Projekte zu gewinnen, die es zu gewinnen gibt. In der Business Line für Produktionsprint, da wächst der Markt weltweit mit 7 Prozent. Da ist natürlich für uns in Deutschland das Potenzial noch deutlich höher.

Da kann ich mit nur 7 Prozent Wachstum für uns nicht zufrieden sein. Warum ist das so? Wir sind in dem Segment hier nicht präsent. Da planen wir eigentlich eine Verdreifachung des Umsatzes in diesem Jahr.

Da muss ich natürlich auch sagen, die weltweite Marktentwicklung ist mir auch in Deutschland egal, bis vor zwei Jahren gab es keinen einzigen Kyocera-Produktionsdrucker auf dem deutschen Markt. Mittlerweile schaffen wir es, auf einer Drupa in einer Woche zehn Maschinen zu verkaufen, das sind für uns zehn Maschinen zwischen 150.000 Euro und 200.000 Euro plus bis zu 1 Million Seiten im Monat, die darauf produziert werden. Das ist für uns als Newcomer schon eine Bank.

Unsere Wettbewerber amüsieren sich vielleicht darüber, aber für uns als Rookie sind das neue Stellplätze, die wir in einer Woche gewinnen, die produzieren, und wir lernen den Markt kennen. Das ganze Thema Software, DMS (Document Management Software) und ECM (Enterprise Content Management) ist ein Markt, der weltweit erstaunlicherweise nur mit 4 Prozent wächst, was deutlich weniger ist als der Markt für Production Printing. Das hat damit zu tun, dass dort von unten über Microsoft mit Office 365 schon sehr viel aufgefangen wird, was die Produkte bisher leisten konnten.

Alfried Große: Wenn man sich die Digitalisierung in Deutschland anschaut, in den Unternehmen und in den Behörden, dann herrscht hier mehr Wunsch als Wirklichkeit. Aber wenn die Digitalisierung wirklich kommen sollte, müsste der Markt für Dokumentenmanagement-Software und Enterprise Content Management eigentlich explodieren.
Dietmar Nick: Das stärkste Wachstum verzeichnen wir in unserer Business Line Production Print. Im DMS-Umfeld werden wir den Umsatz verdoppeln. Das ist auf jeden Fall deutlich mehr, als wir im Bereich Office Equipment erzielen. Da sind wir froh, wenn wir so zwei bis drei Prozent Wachstum haben und eine Stabilität erreichen, also nicht verlieren. Aber ja, irgendwann muss der Knoten platzen, aber Digitalisierung ist, wie gesagt, alles und nichts.

Für den einen ist es schon Digitalisierung, wenn er seinem Mitarbeiter einen Laptop gibt, und für den anderen ist es Digitalisierung, wenn ich die Rechnung komplett digital abwickle, automatisch in der Warenwirtschaft verbuche, das Feld ist so extrem breit.

Alfried Große: Aber wenn ich sehe, dass Sie und Ihre Mitbewerber Digital Workflow Management in den Vordergrund stellen, und wenn ich auf der anderen Seite sehe, dass es nur wenige Unternehmen in Deutschland gibt – von den Behörden will ich gar nicht reden –, die überhaupt Konzepte oder eine Idee von Digitalisierung haben, dann frage ich mich manchmal, wenn Sie Ihre Lösungen in den Unternehmen implementieren, ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit diesen Systemen nicht einfach überfordert sind. Ich erinnere mich, als die Rechnungen von Papier auf PDF umgestellt wurden und per E-Mail verschickt wurden, wurden sie nicht elektronisch weitergeleitet und abgelegt, sondern sie wurden ausgedruckt, kopiert und dann per Boten in alle Abteilungen verteilt. Die Leute waren gar nicht in der Lage, das Potenzial zu nutzen.
Dietmar Nick: Der Faktor Mensch ist ein Thema, definitiv in der Digitalisierung und natürlich auch aus meiner Sicht des Go-To-Market-Ansatzes. Also wie gehen wir an den Markt heran? Und da hat man einen traditionellen Bruch, wenn man heute mit IT-Abteilungen spricht, die wollen immer die eierlegende Wollmilchsau für alle haben. Und das macht die Digitalisierung extrem komplex, weil wir über alle Prozesse in den Unternehmen sprechen, über alle Abläufe, die optimiert werden müssen, und verstricken uns in Workshops und in der Konzeption von Softwarepaketen. Bis die ausgerollt werden, vergehen ein, zwei, drei Jahre und bis dahin ist die Technologie veraltet und dann kommt plötzlich aus der Ecke, wir müssen jetzt SAP auf HANA upgraden.

Aber dann sind die Budgets weg. Deswegen ist unser DMS-Ansatz, dass wir in die Fachabteilungen, in die Personalabteilungen, in die Einkaufsabteilungen gehen und sagen, wir digitalisieren dich als Abteilung, und wenn wir das haben, dann wachsen wir in diese Unternehmen hinein. Da sind wir vor fünf Jahren noch sehr belächelt worden, als wir diesen Ansatz vorgeschlagen haben. Wenn man in die Fachabteilungen geht, dann stellt man fest, so ein Personalprozess ist in jedem Unternehmen gleich.

Der Mitarbeiter schickt eine Bewerbung, wird eingestellt, wird ongeboardet, bekommt eine Gehaltsabrechnung und wird dann irgendwann offgeboardet, das ist fast überall gleich. Also die Prozesse sind auch gleich. Und man kommt sehr schnell auf das Thema, dass man sehr viel standardisieren kann und schneller in die Arbeit kommt, das ist unser Ansatz mit unserem Workflow Manager.

Das heißt, wir standardisieren Prozesse und Abläufe und der Individualisierungsgrad ist vielleicht 20 Prozent. Das geht relativ schnell. Das heißt, wir kriegen das System innerhalb von drei, vier Wochen zum Laufen. Und wir bleiben einfach im Prozess. Und wenn der Prozess da ist und der Mitarbeiter sich daran gewöhnt hat, dann fangen wir an, den Prozess noch ein bisschen weiter zu automatisieren.

Aber wenn man gleich mit der ganz großen Lösung kommt, dann überfordert man alle. Wenn Sie mit dem ersten Ansatz kommen, wir digitalisieren erst mal alle Rechnungen, alle Post, die in den Betrieb kommen, und das kann sogar die Dame am Empfang machen, wenn es sein muss, dafür brauchen Sie keinen Spezialisten, dann haben Sie die erste Hürde schon genommen. Dafür bieten wir sehr gute Einstiegsprodukte an, die das leisten können.

Die Produkte können in der Tat deutlich mehr, aber am Anfang ist der Mensch die große Hürde. Wir haben oft den Fehler gemacht, das klingt jetzt ein bisschen despektierlich, mit den IT-Abteilungen zu reden. Und dann sind wir sehr schnell in die Diskussion gekommen, dass man ein standortübergreifendes digitales System haben will, das für alle gleich ist. Und die Ressourcen hat aus meiner Sicht kein Hersteller der Welt.

Sie haben immer 10 Prozent im Unternehmen, die sind gegen alles. Dann hat man 50 Prozent, die gegen Neues sind, dann hat man 30 Prozent, die sagen, hm, früher war alles besser. Und das muss man bei jedem Software Rollout immer berücksichtigen.

Digitalisierung ist ja beliebig komplex, die einfachste Variante ist Scannen und digital weitergeben, die nächste Variante ist Scannen, digital aufbereiten und schon bestimmte Felder automatisch auslesen und vielleicht schon in Softwareprogramme mit Schnittstellen übergeben. Und dann kann ich es auch weitergeben. Wenn ich es schon weitergeleitet habe, dann kann ich zum Beispiel abgleichen, gibt es eine Bestellung oder einen Auftrag dazu, kann ich schon automatisch buchen und die Zahlung auslösen.

Alfried Große: Wenn Sie in Unternehmen gehen und Ihr Konzept nicht nur vorstellen, sondern auch mit den einzelnen Mitarbeitern sprechen und es umsetzen, haben Sie dann das Gefühl, dass die Mitarbeiter ihre Widerstände aufgeben, wenn sie den Mehrwert sehen?
Dietmar Nick: Ja, das Gefühl haben wir. Auf der anderen Seite ist immer die Angst um den Arbeitsplatz da. Digitalisierung wird immer als Effi­zienzgewinn verkauft, Effizienzgewinn ist gleich Arbeitsplatzabbau, und da haben die Menschen natürlich per se Angst.

Es ist in der DNA des Menschen, sich nicht zu schaden, aber natürlich merken wir, dass die Leute sehen, es macht auf einmal Spaß, gerade in einer Home-Office-Umgebung. Also ich kann meine Rechnung von zu Hause aus bearbeiten, dann muss ich nicht ins Büro fahren. Da ist der Widerstand gegenüber Neuerungen sehr gering. Wir haben natürlich auch speziell geschulte Mitarbeiter, die dafür sorgen, dass die Widerstände kultiviert werden.

Gerade ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen sich, was passiert jetzt eigentlich? Man hat sich ein Leben lang daran gewöhnt, eine Rechnung mit einem Stempel zu versehen. Und plötzlich gibt es diesen Stempel nicht mehr. Stattdessen gibt es einen digitalen Stempel und auf einmal geht alles schneller, das ist schon ein Thema, das mitschwingt.

Es wäre ein Leichtes, unsere Buchhaltung zu digitalisieren, wir haben immer wiederkehrende Prozesse, bei denen nichts anderes passiert, als Rechnungen zu kontieren, die Kontierungen auf Kunden zu buchen, das Ganze dann ins SAP-System zu übertragen und zu verbuchen und mit dem Freigabeprozess zu testen. Das schreit nach einem Roboter. Aber ich habe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit 10, 15, 20 Jahren bei uns im Unternehmen sind. Und die möchte ich nicht verlieren. Der Business Case von jedem Kollegen von Deloitte oder PwC, der zu mir kommt, der ist einfach gerechnet. Der Case funktioniert immer gleich, ob bei Software oder in der Automatisierung: Es geht auf Dauer um Personalabbau und der rechnet sich nach drei Jahren.

Aber die Frage ist, will ich das? Was macht das mit den Unternehmen? Was macht es mit der Unternehmenskultur? Auch darüber sprechen wir offen mit unseren Kunden, darüber nachzudenken, was macht das mit eurem Unternehmen? Und was sind eure Alternativen? Jetzt nehmen wir mal an, ich nehme der Buchhaltung bei Kyocera alle Debitorenbuchungen weg, weil das automatisiert ist. Was gebe ich den Leuten als Aufgabe? Wie bilde ich sie aus, damit sie andere Aufgaben übernehmen?

Entsprechende Kompetenzen zu entwickeln, das hat mit Führung zu tun, mit betrieblicher Bildung, und darüber muss man nachdenken. Wir haben ein Konzept implementiert, das heißt lebenslanges Lernen, Weiterbildung, egal auf welcher Position. Und das fördern wir auch. Vor zwei Jahren hat mir zum ersten Mal jemand aus der Buchhaltung gesagt, okay, ich würde gerne in einer anderen Abteilung arbeiten.

Wir fördern das mit Prämien, wenn sich Mitarbeiter entscheiden, in eine andere, ähnliche Aufgabe zu wechseln, zum Beispiel in den Vertriebs­innendienst. So verliere ich die Mitarbeiter nicht. Das ist wichtig, wo wir doch immer über Fachkräftemangel klagen. Zu denken, dass die Digitalisierung die Lösung ist, ist falsch, denn das ist sie nicht. Das ist also ein sehr komplexes Spielfeld.

Dietmar Nick und das Kyocera-Team im Gespräch über Digitalisierung

Alfried Große: Sie verkaufen die Digitalisierung, aber wie sieht es im eigenen Unternehmen aus? Was mache ich mit den Mitarbeitern? Es gibt Unternehmen, die nicht nur Automatisierungskonzepte entwickeln, sondern auch gleich eine Lösung mitliefern, wie die frei werdenden Mitarbeiter an anderer Stelle im Unternehmen sinnvoll eingesetzt werden können und welche Weiterbildungsmaßnahmen dafür notwendig sind.
Dietmar Nick: Das ist richtig, da wird natürlich jeder Controller dieser Welt widersprechen und sagen, die Digitalisierung muss sich dadurch amortisieren, dass wir Leute freisetzen. Aber zu Ihrer Frage: Wie machen wir das? Als ich hier angefangen habe, 2017 als Geschäftsführer, habe ich gesagt, ein Kriterium für mich ist die Abschaffung der Umlaufmappe, also ich habe noch mit Umlaufmappen angefangen. Und mein Ziel war es, die Umlaufmappen vom Tisch zu bekommen. Und so haben wir angefangen und nach sieben Jahren gibt es tatsächlich keine Umlaufmappen mehr, außer für das Finanzamt und für die Kontoänderung bei der Deutschen Bank oder bei der Sparkasse.

Alles andere ist digitalisiert. Wir nutzen hier eigene Software für die Archivierung und für die Workflows und auch eigene Software für die Ablagesysteme, die dann auch revisionssicher sind. Und wir nutzen digitale Signaturlösungen, die wir auch verkaufen. Ich habe darauf bestanden, dass wir unsere eigene Software einsetzen, weil wir nichts verkaufen können, was wir nicht selbst einsetzen.

Aber es gibt Einschränkungen, unsere Produkte können zum Beispiel keine Personalabrechnung machen. Da nehmen wir dann eine externe Software, die aber mit unserem Produkt eine Schnittstelle hat. Aber im Großen und Ganzen versuchen wir hier, und das gelingt uns sehr gut, alle unsere Lösungen auch im Haus einzusetzen, weil wir eigentlich der beste Referenzkunde sind.

Alfried Große: Wenn man sieht, dass immer mehr Prozesse automatisiert werden, dass Software und Managed Services immer wichtiger werden, dann kommt man irgendwann an den Punkt, wo man sagt, Hardware spielt keine Rolle mehr. Man kann hier und da noch an der einen oder anderen Schraube drehen. Aber irgendwann ist das Innovationspotenzial weitgehend ausgeschöpft. Und dann spielt der Mehrwert, den ich durch zusätz­liche Dienstleistungen generiere, eine Rolle. Dann steht die Software im Vordergrund und die Hardware ist nur noch das Add-on, das wir mitverkaufen, weil wir ja eigentlich Software verkaufen.
Dietmar Nick: Das ist die schöne Geschichte, die ich gerne wahrmachen würde. Als ich Geschäftsführer geworden bin, hat mein Gesellschafter gesagt, Dietmar „transform this company to digital“. Ich habe gesagt, okay, das ist ein ganz einfaches Ziel, das ist toll, das kann man so nebenbei machen. Der Idealfall wäre so, aber die Realität sieht anders aus. Wenn wir heute in die Unternehmen gehen, dann sehen wir schon, dass es noch Drucker und Kopierer gibt, dass die genutzt werden, dass es auch da menschliche Gewohnheiten gibt.

Die einen sind mehr haptisch, ich meine, die haben ihre Unterlagen ausgedruckt, könnten sie aber auch auf dem iPad mitbringen. Insofern ist das eine individuelle Frage. Wir versuchen nicht, uns darauf zu konzentrieren, dass Kyocera ein Anbieter von Druckmanagement-Lösungen ist. Drucken und Kopieren ist eine Möglichkeit, mit einem Dokument umzugehen.

Ein Dokument wird produziert, ob es dann haptisch oder physisch oder virtuell produziert wird, ist der Software, die wir vertreiben, in Summe völlig egal, das heißt, wir bieten jedem Anwender die Anwendungen an, die er in dem Moment braucht. Deswegen denken wir mehr in ganzheitlichen Prozessen, ob ein Dokument per E-Mail in ein Unternehmen kommt und dann digitalisiert wird, oder ob es als haptischer Brief kommt und dann eingescannt und digitalisiert wird. Deshalb positionieren wir uns auch neu.

Kyocera – günstig drucken und kopieren. Das ist so ein alter Slogan. Jetzt sind wir bei Making Information Faster. Alles, was mit Information zu tun hat, wird schneller verarbeitet, egal wie der Prozess aussieht, mit Schnittstellen zu anderen Systemen. Und wenn dann gedruckt werden muss, dann bitte mit uns, weil unsere Systeme perfekt auf die Software abgestimmt sind.

Aber ich gebe Ihnen Recht, dass wir in der Laserdrucktechnologie oder auch in der Tintenstrahltechnologie keine Quantensprünge mehr erwarten können. Quantensprünge in der Art und Weise, wie Drucker gebaut werden, wie sie gewartet werden, wie Komponenten ausgetauscht werden, die wird es sicherlich geben. Von der technologischen Entwicklung her wird ein Drucker immer ein Drucker sein, der Seiten druckt, mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, mit unterschiedlicher Qualität, mit unterschiedlichem Energieverbrauch, aber in der Summe sind diese Produkte schon sehr ähnlich.

Alfried Große: Apropos Drucker: Es gibt Marktzahlen, die besagen, dass 2023 mehr Drucker verkauft werden als 2022, Tendenz steigend. Dagegen hat der Bitkom in einer Befragung von 600 Unternehmen festgestellt, dass in den Unternehmen in den letzten Jahren immer weniger gedruckt wird. Wenn sich dieser Trend fortsetzt und man das zu Ende denkt, kommt man zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass vielleicht in fünf Jahren niemand mehr Drucker braucht, weil nicht mehr oder nur noch sehr wenig gedruckt wird.
Dietmar Nick: Das ist so mein Albtraum. Ich frage mich natürlich, was bedeutet das für unsere jungen Leute hier, wir stellen ja immer noch Menschen ein, die gerade aus dem Studium oder aus der Ausbildung kommen. Ja, wenn man das so konsequent durchdenkt, könnte das ein Ergebnis sein, aber ich glaube nicht, dass man das so konsequent durchdenken muss. Der Peak, den Sie gerade angesprochen haben, mit mehr verkauften Druckern, der ist sicherlich auf Corona zurückzuführen, auf den Trend zum Home-Office. Da hat jeder irgendwie versucht, dass die Mitarbeiter zu Hause drucken können, auf Teufel komm raus, und wir sind jetzt schon in dieser Konsolidierungsphase, das merken wir, die Industrie hat ja unterschiedlich auf dieses Corona-Thema reagiert.

Auf der einen Seite haben die Kunden mehr kleine Geräte für die Ausstattung zu Hause gekauft, auf der anderen Seite haben die Handelspartner einfach die Verträge für die großen Geräte verlängert. Die standen zwei, drei Jahre in den Büros, da ist nicht viel passiert. Das wird jetzt alles nachgeholt, weil alles, was verlängert wird, irgendwann neu beschafft werden muss. Das ist in unserer Branche so.

Unser Glück ist, dass wir uns nur im B2B-Bereich bewegen. Wir sind nicht im Consumer-Markt unterwegs.  Im Consumer-Markt wird es, glaube ich, sehr schnell dazu kommen, dass man zu Hause keinen Drucker mehr hat. Ich kenne sehr viele Leute, die, wenn der Drucker kaputt ist, ihn einfach stehen lassen und alles digital machen. Wenn wir im Consumer Business tätig wären, würde ich mir schon sehr große Sorgen machen, ob das auf Dauer so weitergeht wie in den letzten Jahren.

Zur Anzahl der verkauften Laserdrucker unterstelle ich mal, dass im B2B-Umfeld der Laserdrucker zu 95 Prozent dominiert. Wenn man sich das anschaut, ist das erstaunlich, denn die Anzahl der verkauften Systeme ist über die letzten Jahre mehr oder weniger stabil. Ungefähr eine Million Systeme in Deutschland.

Die großen Spitzen kommen von Großprojekten. Da muss man auch ehrlich sein, einer der größten Kunden in Deutschland schreibt alle drei Jahre 100.000 Systeme aus. Und da hat man immer eine Verkaufsspitze. Und wenn der Peak nicht da ist, geht der Markt wieder zurück und dann hat man wieder einen Peak. Und deswegen glaube ich fest daran, dass es weiterhin Drucker und Kopierer geben wird, und da komme ich auf das Eingangsstatement zurück.

Wenn wir 20 Prozent Marktanteil haben als Kyocera, dann kann ich immer noch 80 Prozent gewinnen, selbst wenn der Markt jedes Jahr um 10 Prozent schrumpft, ist immer noch genug Potenzial da – da sind wir wieder. Wer hat den besseren Vertrieb? Wer hat die bessere Go-to-Market-Strategie?

Alfried Große: Hinzu kommt, dass die Preise für Drucker je nach Marktentwicklung, Vertriebskanal und dem immer wieder auftretenden preisaggressiven Verhalten von Händlern und Lieferanten stark schwanken. Wie entwickelt man da eine vernünftige Preis- und Vertriebsstrategie?Dietmar Nick: Es ist in der Tat verrückt, was diese Branche macht. Ich bin seit 25 Jahren dabei. Wenn ich vor 25 Jahren einen VW Golf gekauft habe, dann ist der heute vermutlich dreimal so teuer. Und wenn ich heute einen Kopierer kaufe, dann ist der heute dreimal so billig. Komischerweise hat es die Branche, in der wir uns bewegen, nicht verstanden, diese Technologieschübe in Preissteigerungen umzusetzen. Das ist in der Tat ein Thema. Ein großer Teil unseres Portfolios ist sehr spitz auf B2B zugeschnitten und da haben wir diese Preissensitivität auf Tagesbasis nicht. Wir haben sie aber im E-Tail. Wir machen mit Amazon ein bisschen Geschäft. Aber das ist nicht unser Kerngeschäft, das sind vielleicht 6, 7, 8, sagen wir mal 10 Prozent unserer Absatzmärkte.

Auf der anderen Seite machen wir fast zu 90 Prozent Projektgeschäfte, wo wir wirklich am Endkunden arbeiten, in Ausschreibungen arbeiten, in Konzepten arbeiten und da ist die Preissensibilität nicht so extrem gegeben, dass sie sich täglich ändert. Das hängt eher davon ab, welche Strategien der eine oder andere Hersteller fährt. Wir reden ja im Projektgeschäft nicht darüber, dass der einzelne Drucker 159, 60 Euro kostet, der Kopierer 4900 Euro kostet. Wir reden ja über Millionen Seiten in fünf Jahren, mit dem und dem Servicelevel dazu kostet das so und so viel.

Da stecken mehrere Komponenten drin. Wir haben nicht nur den Hardwarepreis, wir haben den Tonerpreis, wir haben den Servicepreis, wir haben eventuell Zinseffekte, wir haben natürlich unsere Marge, wir haben die Marge des Händlers und dann wird daraus ein Gesamtpaket. Als ich im Jahr 2000 als junger Mensch hierherkam, wusste ich nicht, dass es Click-Modelle oder Click-Pricing gibt. Heute verstehe ich sehr gut, dass das eine sehr clevere Go-to-Market-Strategie ist. Clickpricing, was die Kopierer- und Druckindustrie und unsere Fachhändler anbieten, ist doch eigentlich nichts anderes als Cloud-Lösungen. Ich kaufe verschiedene Komponenten ein und rechne wie in der Cloud nach Nutzung ab. Und das machen unsere Händler seit Jahrzehnten sehr professionell. Das ist wirklich bewundernswert, auch was dahinter steckt an Logistiksystemen, an Warenwirtschaftssystemen, an Provisionierungssystemen für die Verkäufer. Da könnte die Cloud-­Industrie von der Kopierer- und Druckindustrie noch einiges lernen.

Alfried Große: Ist das der Schlüssel zum profitablen Wachstum?
Dietmar Nick: Ja.

Alfried Große: Über Production Printing haben wir ja schon ganz am Anfang gesprochen. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass die Distributoren das Rückgrat des MFP-Marktes sind. Aber nicht jeder kann Product-Printing-Systeme verkaufen. Wie findet man den richtigen Partner, wie überzeugt man ihn, mit Kyocera zusammenzuarbeiten?
Dietmar Nick: Die Entscheidung, Production Print überhaupt in unser Portfolio aufzunehmen, haben wir vor gut acht Jahren auf Vorstands­ebene getroffen. Es war für uns ein Markt, in den wir investieren wollten. Dahinter stand die Frage, können wir das, was wir investieren, langfristig als Konzern wieder verdienen? Und die zweite Frage war – ich habe es vorhin schon erwähnt, Deutschland hat eine andere Go-To-Market-Strategie als Frankreich, als Spanien – was bedeutet das für uns?

Wollen wir bei unserer DNA bleiben, dass wir nur indirekt vertreiben? Oder wollen wir den Direktvertrieb für solche Produkte angehen? Das ist Chance und Risiko zugleich. Wir haben dann lange darüber diskutiert und uns entschieden, dass wir mit unserer DNA ein indirektes Unternehmen bleiben, weil wir den Direktvertrieb gar nicht können. Ich habe überhaupt keine Organisation dafür, keine eigene Serviceorganisation. Also bleiben wir beim indirekten Vertrieb.

Und dann ist da noch die Frage, wer sind eigentlich die Key Player in diesem Production-Print-Markt? Am Anfang, im ersten Jahr, haben wir einen Fehler gemacht. Wir dachten, unsere Kopierer- und Druckerhändler seien die Key Player. Wir haben aber festgestellt, dass das nicht der Fall ist. Sie haben zufällig mal eine Production-Print-Maschine verkauft. Aber die wenigsten haben das Geschäft systematisch betrieben. Dann haben wir relativ schnell gemerkt, um diesen Markt zu erobern, müssen wir uns Leute einkaufen, die Know-how haben. Und die haben wir uns vom Markt geholt, Leute, die das Know-how haben, wie der Markt funktio­niert, wie Production Print funktio­niert, worauf wir achten müssen, weil dieser Markt für uns völlig neu war. Und wie bei jedem Erlkönig, bei jedem ersten Produkt gibt es mehr Probleme als Freude. Das muss man ganz offen sagen. Wir haben gelernt, und das war für mich eine der spannendsten Erkenntnisse, dass es eine Art Parallelwelt gibt. Es gibt tatsächlich Production-Print-Händler, die nichts anderes machen, als diese Systeme zu vermarkten, und das sehr, sehr erfolgreich.

Kyocera-Drucklösungen – Nachhaltigkeit und Innovation

Alfried Große: Kommen die klassischerweise aus dem Offset-Druckbereich?
Dietmar Nick: Zum Teil ja, die kommen aus dem Offsetdruck und haben sich dann im wahrsten Sinne des Wortes nach unten gearbeitet. Stichwort Digitalisierung. Sie haben sich mit diesem Thema Production Print beschäftigt, als die ersten Maschinen auf den Markt kamen. Wir haben dann festgestellt, dass es in Deutschland etwa 20 Production-Printing-Händler gibt. Das war wirklich eine Erkenntnis für mich, obwohl ich, wie gesagt, schon 25 Jahre im Unternehmen bin. Aber das war auch meinem Vertriebsleiter nicht so klar, dass es diese Händler gibt. Und dann haben wir das gemacht, was wir gut können, nämlich Händler für die Marke Kyocera zu begeistern. Das war schon immer unsere DNA.

Wir wissen, wie man den Kanal bedient. Wir wissen, wie man mit Händlern umgeht. Sie haben vorhin den Faktor Mensch angesprochen.  Das ist ein ganz großes Thema. Wir wissen, welche Sprache der Handel spricht, was der Handel erwartet und wie wir mit dem Handel umgehen können. Gott sei Dank. Mittlerweile haben wir acht dieser Production-Print-Händler unter Ver­trag. Und wenn man die Partner einmal besucht, sieht man, welches Potenzial im Production Printing steckt.

Hier gibt es inhabergeführte Unternehmen, die mit Handschlag arbeiten. Das gefällt mir persönlich sehr gut. Meinem Vertriebsleiter auch. Ich würde sagen, wir haben innerhalb von zwei Jahren alle wichtigen Production-Print-Händler in Deutschland unter Vertrag genommen, mit denen wir sehr intensiv zusammenarbeiten und auch sehr viel lernen.

Ich habe großen Respekt davor, dass einige Partner mit einem New­comer wie Kyocera zusammenarbeiten wollen, weil wir noch Fehler machen. Unsere Serviceprozesse sind noch nicht darauf ausgerichtet.

Das heißt, die Händler, die jetzt mit uns arbeiten, die zum Teil durch ein Tal der Tränen gehen, müssen sehr intrinsisch motiviert sein, mit uns zusammenzuarbeiten. Und ich bin mir sicher, dass wir dieses Vertrauen irgendwann in irgendeiner Form zurückzahlen werden. Aber es ist so, wenn man ein Rookie ist, und wir sind ein Rookie in der Production-Print-Szene – nicht was den Druckkopf betrifft – aber was die eigene Maschine betrifft, dann lernt man. Wir dachten, wenn die Maschine einen Finisher hat, wo das Papier rauskommt, dann ist das okay. Aber wir lernen schnell.

Wir arbeiten daran, dass wir in absehbarer Zeit ein Porfolio an Maschine haben, in allen Ausprägungen, die man im Production-Print-Markt braucht. Die sind schon in der Vorbereitung, in der Designphase und da sind wir natürlich froh, dass wir mit Händlern zusammenarbeiten. Und erstaunlicherweise gibt es Endkunden, die genau das suchen, was sie bei einem Direktvertrieb vielleicht nicht bekommen. Kurze Wege, schnelle Serviceprozesse, Kommunikation auf Augenhöhe, sehr flexibles Eingreifen, wenn die Produktion stockt. Wir versuchen als Kyocera immer so etwas wie eine Kyocera Family aufzubauen, eine Bindung über Augenhöhe, Menschlichkeit, Ehrlichkeit, auch mal hart in der Sache. Und dass uns das bei den Production-Print-Händlern gelingt, darauf bin ich sehr stolz. Da macht meine Vertriebsmannschaft für den Channel wirklich einen tollen Job.

Alfried Große: Das finde ich natürlich erstaunlich, weil die Zahl der Händler, wie Sie gerade gesagt haben, die dazu eigentlich in der Lage sind, relativ überschaubar ist. Und der eine oder andere Händler ist auch schon bei einem anderen Hersteller unter Vertrag. Wie funktioniert das, dass ein Händler Modelle von zwei, drei verschiedenen Herstellern verkauft?
Dietmar Nick: Die Händler haben teilweise sechs, sieben verschiedene Hersteller im Portfolio. Auch das mussten wir lernen. Die Kollegen aus Japan, die Kollegen aus Europa haben uns gewarnt, dass Production-Printing-Systeme andere Maschinen, die wir vertreiben, ersetzen. Das tun sie aber nicht.

Sie ziehen Volumen von den Maschinen des Wettbewerbs ab und bringen es auf unsere Maschinen, weil sie kostengünstiger, schneller, flexi­bler, transaktionaler zu produzieren sind. Das heißt, wir kommen aus einer Welt, in der wir ein Projekt gewinnen, indem wir die Maschinen eines Wettbewerbers durch Kyocera-Maschinen ersetzen. Das war unsere DNA. Der Production-Printing-Markt ist anders, unsere Maschine kommt additiv hinzu.

Das heißt, wir mussten den Business Case neu definieren: Welches Volumen können wir von Wettbewerbsmaschinen auf unsere Maschine verlagern? Dazu haben wir auch unsere Partner gebraucht, die uns die Augen geöffnet haben, was unsere Maschine tatsächlich in welchen Auflagen, in welchen Anwendungsbereichen von den größeren Modellen an Volumen wegnehmen kann und dementsprechend aufgrund der Technologie, der Eigenschaften oder auch der Bedienbarkeit günstiger produzieren kann.

Alfried Große: Fast jeder hat als Verkaufsargument den Satz im Köcher, dass unser System die Bedürfnisse der Unternehmen, also der Kunden, abdeckt. Das heißt doch, wenn man es genau nimmt, dass Sie schon bei der Konzeption und Produktion von Systemen die Bedürfnisse der Unternehmen von morgen kennen, Bedürfnisse, von denen die Unternehmen selbst vielleicht noch gar nicht wissen, dass sie sie haben werden. Wie schaffen Sie das?
Dietmar Nick: Da sprechen Sie genau das Problem an, das ich gerade beschrieben habe. Wir haben gedacht, wir bringen eine Maschine auf den Markt, die andere verdrängt, und stellen fest, das ist kein Use Case. Unsere Händler sagen, wir stellen eure Maschine zum Beispiel neben die von anderen Wettbewerbern, weil ihr einfach schneller, flexibler, also ein anderes Bedürfnis oder einen anderen Pain Point, wie man neudeutsch sagt, befriedigen könnt.

Alfried Große: Geht es beim Production Printing letztlich nur darum, hohe Auflagen mit hoher Geschwindigkeit und hoher Qualität zu drucken?
Dietmar Nick: Wir bei Kyocera ergänzen diese Aussage um hochverfügbar, hochsicher und transaktions­flexibel.

Alfried Große: An welcher Stellschraube kann ich noch drehen, um mich zu differenzieren?
Dietmar Nick: Dazu brauche ich Spezialisten, die genau das austarieren. Was mich persönlich immer wieder erstaunt: Als wir die ersten A3-Farbsysteme auf den Markt gebracht haben, haben unsere Partner damals auf der CeBIT angefangen, die Qualität zu vergleichen. Sie haben mit kleinen Lupen auf die Bilder geschaut. Das gibt es in der Office-Kopierwelt nicht mehr. In der Production-Printing-Welt ist das noch extrem verbreitet. Da geht es um die Frage, welches Papier kann man verwenden und wie sieht die Qualität aus. Und da hat fast jeder noch eine Lupe in der Tasche. Für mich sehen alle Ausdrucke irgendwie gleich aus.

Aber es scheint so zu sein, dass die Anforderungen der Kunden an diese extreme Farbgenauigkeit, an die Farbechtheit, an die Deckung sehr hoch sind. Es müssen immer 150 Seiten sein, mit genauem Seitenabstand links und rechts, ohne auch nur einen Millimeter Verzögerung oder Verschiebung. Das ist schon sehr spannend, wie hochtechnisiert dieser Markt immer noch ist. Ich weiß nicht, ob sich das auf Dauer halten lässt oder ob nicht irgendwann der Punkt kommt, wo es egal ist, ob der Umschlag jetzt in Hochglanz supergenau gedruckt ist oder ein bisschen ausfranst. Ich glaube, irgendwann kommt der Punkt, wo dieser hohe Qualitätsanspruch, den man hat, nicht mehr gefordert wird. Aber heute ist er da.

Alfried Große: Welche drei He­rausforderungen sehen Sie für Kyocera in diesem Markt?
Dietmar Nick: Wir haben in Deutschland eine hohe Fachhandels­dichte, die sich konsolidiert. Das heißt, wir müssen eine Antwort finden auf immer größer werdende Handelspartner, die immer mehr Druck auf uns bei den Rahmenkonditionen ausüben. Wir müssen eine Antwort finden, wie wir damit umgehen.

Die zweite Herausforderung ist die Versuchung mancher Händler, keinen Originaltoner zu verwenden, weil sich das direkt auf unsere Gewinnsituation auswirkt. Wenn der Fachhandel von uns Projektpreise verlangt, um den Kunden zu gewinnen, dann muss er fairerweise auch unseren Toner verkaufen. Sonst geht das Geschäft in der Summe, in der Kette, für niemanden auf. Es geht um Transparenz im Geben und Nehmen, es geht um gegenseitige Notwendigkeiten, Gewinne zu erwirtschaften.

Drittens müssen wir aufpassen, dass wir in diesem ganzen Markt, der sich extrem konsolidiert, Kyocera bleiben, dass wir unseren Anspruch, wie wir Händler betreuen, wie wir mit Handelspartnern umgehen, dass wir den nicht verlieren. Auch der Versuchung zu widerstehen, über den Direktvertrieb ein schnelles Geschäft zu machen oder die Händler zu übervorteilen. Channel-Vertrieb, Partner-Vertrieb verpflichtet, verpflichtet zu seriöser Unternehmensführung und zu nachhaltiger Unternehmensführung und zu transparenter langfristiger Unternehmensführung, denn viele unserer Partner vertrauen uns.

Wir sind bei vielen Partnern die Nummer eins in ihrem Hersteller-Ranking. Dementsprechend hängt sehr viel für unsere Partner davon ab, wenn wir Fehler machen. Wir müssen innerhalb von Kyocera ein Bewusstsein schaffen und für uns verinnerlichen, dass wir langfristig vertrauenswürdig sein müssen. Und das Vertrauen, das wir jetzt über 30 Jahre mit der Vertriebsorganisation aufgebaut haben, das kann man sehr schnell wieder verlieren. Das heißt, wir brauchen Verlässlichkeit.

Und wenn wir jetzt Kyocera intern betrachten, dann ist es so, dass Kyocera von einem Managementteam geführt wird, das Mitte 50 ist. Das heißt, wir müssen schauen, wie wir die nächste Generation hier ins Unternehmen bekommen, die dieses Vertrauen auch von unseren Händlern bekommt und weiter bekommt. Im Moment habe ich natürlich noch vor, ein paar Jahre zu arbeiten, aber ich muss Ideen entwickeln, wer wird mir folgen, wer wird unseren Vertriebsleitern folgen, weil wir schon merken, dass eine neue Generation von Menschen kommt, die Partnerschaft anders definiert.

Wir haben eine sehr hohe Verweildauer in unserem Unternehmen, im Schnitt 11 Jahre, das ist sehr hoch, denn da sind die Auszubildenden und die Neueinstellungen schon mit eingerechnet. Wir wissen aber auch, dass der Nachwuchs vielleicht nur drei, vier, fünf Jahre bleibt und dann wechselt. Und da müssen wir schauen, wie wir es als Unternehmen schaffen, nicht nur eine Bindung zu den Menschen zu schaffen, sondern auch eine Bindung zu unseren Partnern. Denn auch bei den Partnern gibt es einen großen Generationswechsel. Die Senioren gehen in den Ruhestand und bei vielen ist es so, dass der Nachfolger nicht unbedingt in der Familie zu finden ist. Das heißt für uns: Wie begleiten wir diese Nachfolgeprozesse?

Kyocera Dokumentenmanagement-Lösungen, vorgestellt im Interview mit Dietmar Nick

Alfried Große: Der Wandel betrifft nicht nur die Generationen­frage, sondern auch die Digitalisierung. Dieser Herausforderung müssen sich auch die Fachhandelspartner stellen. Nicht wenige prophezeien in diesem Zusammenhang einen Konzentrationsprozess, eine Verschmelzung des klassischen MFP-Handels mit dem IT-Handel mit den großen Systemhäusern als lachenden Dritten. Sie haben in diesem Jahr das Partnerprogramm Chap für IT-Fachhändler aufgewertet. Ist das eine Reaktion auf diese Entwicklung?
Dietmar Nick: Das hat natürlich damit zu tun, dass wir eine Kernlandschaft von Partnern haben, mit denen wir direkte Verträge haben. Das sind in Deutschland insgesamt 200. In der klassischen Gaußschen Normalverteilung ein paar ganz große, viele sehr solide und ein paar, die wir aus historischen Gründen unter Vertrag haben, die uns groß gemacht haben und denen wir immer dankbar sein werden, mit denen wir aber in den nächsten Jahren kein großes Wachstum erzielen können.

Es gibt aber auch andere Partner, die wir an die Marke Kyocera heranführen wollen, denen wir Vorteile bieten wollen. Für diese Partner haben wir das Partnerprogramm Chap aufgelegt, für die, die sagen, ich möchte enger mit Kyocera zusammenarbeiten. Enger in dem Sinne, dass sie Projektpreise und Service-Levels brauchen, auf bestimmte Serviceseiten zugreifen wollen. Und deswegen ist das Programm noch mal neu aufgelegt worden. Weil wir schon in der Corona-Zeit gesehen haben, dass man limitierte Produkte erst einmal dorthin vertreibt, wo die Partner sind, die nicht am lautesten schreien, aber die am wichtigsten sind.  Und der Channel, Distribution und IT-Reseller, der hat gelitten, weil wir ihn plötzlich von der Warenversorgung abgeschnitten haben. Und den gilt es jetzt wieder für uns zu erobern und zu bedienen, deswegen auch der Relaunch dieses Chap-Programms.

Alfried Große: Sie verfügen über eine zweistufige Partnerstruktur, die sich einerseits aus Authorized-Partnern, Competence-Partnern-Solutions und Competence-Partnern-Digital-Solutions und andererseits aus den registrierten Chap-Partnern des IT-Fachhandels zusammensetzt. Die Abstufung legt nahe, dass nicht alle Partner alle Produkte, z.B. Software und Services im Bereich Dokumentenmanagement der Kyocera-Tochter AKI, vertreiben dürfen. Wie viele Vertriebspartner vertreiben mittlerweile neben Hardware auch Software aus dem Kyocera-Konzern?

Dietmar Nick: Fangen wir mit der Hardware an. Da haben wir eine klassische Abstufung von Produkten, die jeder kaufen kann, das sind in der Regel A4-Geräte, die auch schon mit Herstellergarantie kommen. Wir machen dann einen Schnitt, wenn es professionelle Kopier- und Drucksysteme für B2B gibt, also A3-Systeme. Die erkennt man bei uns an der Farbe. Die schwarzen, A4- und A3-Systeme, die kommen nicht mit Herstellergarantie, die kommen mit Händlergarantie, kleiner feiner Unterschied, das heißt, in dem Fall verlagern wir die Garantieleistung auf unseren Händler. Dazu muss ich natürlich eine Struktur haben, die das auch leisten kann. Je größer das Produkt, desto mehr Servicefähigkeit erwarten wir von unseren Partnern.

Im Softwarebereich ist es so, dass wir nicht das fünfte Rad am Wagen sein wollen. Im Gegensatz zum Druck- und Kopiergeschäft, wo es für einen Händler Sinn machen kann, zwei, vielleicht sogar drei Marken zu haben, macht es für uns bei Software nur Sinn, eine Marke zu vertreiben. Der Aufwand, mehrere Softwaremarken zu vertreiben, ist meiner Meinung nach viel zu groß. Und da muss sich jeder zu uns bekennen, der mit unserem Produkt auch in den Markt gehen will. Und da trennt sich in der Tat die Spreu vom Weizen.

Man darf sich keine Illusionen machen, was DMS- und ECM-Software angeht. Wenn ich das rein von der Preis-Leistungs-Seite betrachte, muss ich sagen, dass das über 4 bis 5 Jahre noch ein Zusatzgeschäft sein wird. Man braucht unglaublich viele personelle Ressourcen, die bei langen Projektzyklen am Anfang relativ wenig Projekte und Umsatz generieren. Noch brisanter wird es, wenn die Umsätze dann aus der Cloud kommen. Ich habe zwar 100.000 Euro wiederkehrende Umsätze über 5 Jahre, aber ich muss trotzdem jeden Monat die Gehälter für die Mitarbeiter bezahlen.

Und das ist eine Schere, die geht auf. Und da merkt man schon, dass es Unternehmen gibt, die bereit sind zu investieren und Unternehmen, die sehr defensiv sind. Deswegen haben wir in unserem Kompetenzpartnerprogramm von den 200 Partnern 10 bis 15 Prozent, die sich auf Software konzentrieren, die man verkauft, ohne dass man Hardware dazu liefert. Und da sind wir wieder bei unserem indirekten Geschäftsmodell. Wir gehören zu den Unternehmen, die sich eine sehr große Vertriebseinheit leisten, die man bei 200 Partnern eigentlich gar nicht braucht.

Für 200 Partner würden vielleicht 6 bis 7 Vertriebler reichen. Die fahren die Partner ab, trinken Kaffee, verteilen Datenblätter und nehmen Bestellungen mit. Wir haben aber eine Vertriebsmannschaft von über 70 Leuten, weil wir Endkunden haben. Das heißt, wir agieren mit unseren Partnern am Endkunden und bringen die Endkunden zu unseren Partnern. Das ist der große Unterschied.

Alfried Große: Kyocera hat sich seit 1959 der Nachhaltigkeit verschrieben. Sie haben einmal in einem Interview gesagt, dass das nachhaltigste Dokument dasjenige ist, das nicht gedruckt wird. Wie passt das zusammen – Ihre Aussage und die Tatsache, dass Kyocera Systeme anpreist und verkauft, die hunderte von Dokumenten pro Minute drucken, und das auch noch stolz verkündet?
Dietmar Nick: Das ist doch verrückt, oder? Wenn Sie mich fragen, wie das zusammenpasst, dann sage ich: Drucken sichert Arbeitsplätze. Das ist auch eine Variante.

Schon 1959 hat unser Unternehmen gesagt „Respektiere das Göttliche und liebe die Menschen“. Das trifft im Prinzip alles, was heute hip ist. Also respektiere die Natur, die Umwelt, das, was so geschaffen wurde, und liebe die Menschen. Das ist so universell, das war schon 1959 so. Natürlich ist Nachhaltigkeit ein Thema, das uns beschäftigt.

Wir wissen, dass wir zu den Unternehmen gehören, wie viele andere auch, die die Ressourcen der Umwelt verbrauchen. Das ist das Schicksal der meisten Wirtschaftsunternehmen. Das heißt, wenn wir das wissen und Nachhaltigkeit in unserer DNA ist, dann müssen wir dafür sorgen, dass das, was wir produzieren, so umweltfreundlich wie möglich produziert wird. Aber eigentlich ist es meine Aufgabe, uns selbst abzuschaffen. Ich muss eigentlich das Drucken und Kopieren abschaffen. Das ist auch eine spannende Aufgabe. Aber ich tue es ungern.

Aber wenn Unternehmen schon drucken müssen, dann bitte mit Kyocera, denn in Summe ist der Fußabdruck, den wir hinterlassen, nachhaltiger und besser als der der Konkurrenz. Wir vermeiden, reduzieren, kompensieren, das ist ein Dreiklang. Und wenn man schon nicht vermeiden kann, zu drucken, dann sollte man vielleicht doppelseitig drucken, um nicht zwei Seiten Papier zu verbrauchen, und wenn man schon viel drucken muss, dann sollte man es wenigstens vorher kompensieren, so dass es wenigstens CO₂-neutral ist.

Und wir arbeiten tatsächlich an einem Konzept, wie wir eine Longlife-Technologie umsetzen können. Unsere Produkte sind technologisch in der Lage, bis zu zehn Jahre länger eingesetzt zu werden, wenn sie die Langlebigkeit unsere Keramiktrommeln voll ausnutzen. Wir arbeiten gerade an einem Produktkonzept, um sicherzustellen, dass wir ein Produkt zehn Jahre einsetzen können, dass es zehn Jahre auf dem neuesten Stand der Technik ist. Und dann geht es auch darum, wie wir dieses Produkt recyceln. Technologisch steht das Konzept. Der Business Case dahinter ist schwierig umzusetzen. Wie gehen wir damit um, wie machen wir das? 

Ich denke, dass wir gegen Ende des Jahres vielleicht die ersten Konzepte haben und im neuen Geschäftsjahr als einer der Ersten damit auf den Markt gehen. Auch das ist Nachhaltigkeit.

Alfried Große: Unternehmen im Markt für Third Party Maintenance werben mit Nachhaltigkeit, weil sie Systeme am Leben erhalten, die längst aus der Herstellerwartung gefallen sind und normalerweise nach 3 Jahren ausgetauscht würden und nun bis zu 10 Jahre weiterlaufen.
Dietmar Nick: Im Prinzip ist dieses Konzept nichts anderes als eine Garantieverlängerung. Es ist etwas komplexer, weil wir die Spearparts und die Wartungskonzepte zur Verfügung stellen müssen. Und auf der technologischen Seite haben wir noch das Problem der Software­sprünge. Wenn man ein acht Jahre altes iPhone hat, kann man noch telefonieren, aber wenn Apple die Software abschaltet, hat man auch hier ein Problem.

Das heißt, wir müssen die Sicherheit auch von der Softwaresicherheitsseite für 10 Jahre gewährleisten, weil der Drucker immer Zugang zum Firmennetzwerk hat und damit ein Einfallstor für Sicherheitsangriffe ist, und das stellt uns noch vor Herausforderungen. Technologisch das Produkt zu nutzen ist nicht das Thema, aber auf der Höhe der Zeit zu bleiben, was Sicherheitsanforderungen angeht, was Softwareanpassungen angeht, was Treiber angeht, das stellt uns noch vor Herausfoderungen. Aber daran arbeiten wir.

Alfried Große: Gibt es auch Überlegungen, Geräte, die aus den unterschiedlichsten Gründen nach ein oder zwei Jahren wieder ins Unternehmen zurückkommen, zu nutzen, um defekte Teile in anderen Druckern zu ersetzen?
Dietmar Nick: Das machen unsere Handelspartner. Die haben Leasing­rückläufer und schlachten die Systeme aus, um andere Systeme zu reparieren. Wir als Kyocera arbeiten bereits an einem Recyclingkonzept, auch für unsere Tonerkartuschen. Das heißt, Refill wird auch für uns irgendwann ein Thema werden. Wir diskutieren darüber und wir beo­bachten sehr genau die europäische Gesetzgebung, also den Green Procurement Act, der so etwas unter Umständen fordern könnte, und welche Auswirkungen das für uns hat.

Ja, wir arbeiten in der Tat an Ideen, wie man Produkte recyceln kann, wieder verfügbar machen kann und auch systematisch wieder in den Markt einführen kann.

Da haben es die Direktvermarkter einfacher, weil ihnen die Maschinen gehören. Ich habe meine Maschinen schon im Handel verkauft, die Maschinen gehören unseren Handels­partnern. Ich war gerade bei einem unserer Handelspartner in Köln. Da habe ich eine Maschine gesehen, die ist seit 20 Jahren beim Kunden im Einsatz. Das ist gelebte Nachhaltigkeit. Die vergilben ein bisschen, die sehen nicht mehr so schön aus, aber sie machen das, in dem Fall kopieren sie noch.

Dietmar Nick im Interview über Digitalisierung und Nachhaltigkeit bei Kyocera

Alfried Große: Zum Schluss noch eine etwas persönliche Frage. Sie haben ja keinen 9-to-5-Job. Wie entspannen Sie sich, wie motivieren Sie sich immer wieder?
Dietmar Nick: Ich lebe in einer Welt, in der ich sage, ich habe den tollsten Job der Welt, und das ist seit meiner Jugend so. Das war immer so, egal welchen Job ich hatte. Ich habe immer gedacht, dass das, was ich aktuell mache, der tollste Job der Welt ist, weil es alles einfacher macht. Ich finde es einfach toll hier. Im Moment arbeite ich bei KYOCERA Document Solutions. Ich mag es einfach, hier zu arbeiten, die Atmosphäre zu genießen, die Freiheit zu haben, die mir das Unternehmen gibt. Ich sehe gerne, wie wir Dinge entwickeln. Ich sehe auch gerne, wie wir organisiert sind, und ich liebe den Umgang mit Menschen, manchmal auch mit Journalisten, aber vor allem mit unseren Handelspartnern und die Partnerschaften, die sich daraus ergeben haben. Daraus ziehe ich sehr viel Energie.

Kürzlich war ich bei einem Partner, der sein 75-jähriges Jubiläum gefeiert hat. Es war schön, die Leute wiederzusehen und abends mit ihnen zu grillen. Wenn man wie ich gerne mit Menschen zusammen ist, gibt das einem so viel Energie. Zudem bin ich relativ gut organisiert. Im Gegensatz zu anderen Leuten empfinde ich E-Mails nicht als Belastung.

Das Schöne an meinem Job ist, dass ich reisen kann. Ich finde Zugfahren ganz toll. Da kann ich E-Mails lesen und Unterlagen sortieren, das ist keine Arbeit für mich. Ich steige in Düsseldorf in den Zug und komme drei Stunden später in Hamburg am Bahnhof an und kann vielleicht noch in Ruhe ein Croissant essen, bevor ich zum Kunden fahre.

Man muss die Momente genießen, die man hat. Es ist alles eine Frage der Perspektive und der Liebe zur Arbeit. Das heißt nicht, dass ich jeden Tag lachend hier reinkomme und mir nicht auch mal den Kopf auf den Tisch haue. In unserer Philo­sophie heißt das „Love your work“. Das merke ich bei Ihnen Herr Große auch, Sie lieben Ihre Arbeit, auch wenn es mal schwierige Zeiten gibt, aber das ist das, was man machen will. Das muss man verinnerlichen und sich immer wieder vor Augen führen, dass man sich bewusst für diesen Job entschieden hat. Ich hätte auch auf den Bau gehen oder Lehrer werden können.

Und dann gibt es auch diese ruhigen Momente. Wenn man abends ins Hotel kommt und alleine an der Bar ein Bier trinkt. Ich bin Anfang September für sechs Tage in Japan, das ist alles Arbeit, aber ich habe mir einen halben Tag für mich reserviert, wo ich einen Tempel in Kyoto besuche und einfach nur dasitze und mir die Steine ansehe.

Ich habe auch die Meditation für mich entdeckt. Ich bin eigentlich einmal im Jahr in so einer Art Schweigekloster, wo ich mal drei Tage abschalte. Das ist ganz gut. Und ich mache Sport. Ich mache zweimal in der Woche Sport unter Anleitung. Ich brauche dazu aber einen eigenen Trainer, der mir sagt, was ich machen soll. Als Geschäftsführer einer Firma ist man immer in der Entscheidungsphase. Und dann ist es manchmal ganz gut, so wie heute Morgen in der Stunde, dass da eine 23-Jährige ist, die mir genau sagt, pass auf, wenn du die Kniebeuge machst, bleib bitte mit der Ferse auf dem Boden. Und es wäre schön, wenn du den Rücken ein bisschen mehr streckst, und denk ein bisschen an deine Haltung. Das ist schön, wenn man dann quasi auch mal geführt wird. Da kann man sich fallen lassen. Das tut mir auch mal ganz gut.

Alfried Große: Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Dietmar Nick: In zehn Jahren? Ich bin aktuell 54, dann bin ich 64. Wenn es gut geht, bin ich in Rente.

Alfried Große: Und schon Pläne dafür?
Dietmar Nick: Ja, ich bin Süddeutscher, das hört man am Dialekt. Ich mag Nordrhein-Westfalen, aber es zieht mich schon wieder zurück in die Heimat. Am liebsten würde ich in zehn Jahren auf einem Bauernhof sitzen, den ich bis dahin gekauft und renoviert habe, auf einer Bank und auf einen Berg schauen. Und ein Berg ist etwas, wo oben kein Wald wächst. Und dann würde ich schon gerne zurückblicken und sagen, Mensch, ich habe mein persönliches Ziel erreicht, dass dieses Unternehmen von einer Frau weitergeführt wird. Das würde diesem japanischen Konzern Kyocera und auch Kyocera Document Solutions in Deutschland vielleicht einmal nicht so schlecht tun.

Und dann würde ich mich freuen so – wie wir das auch machen, wir haben hier klassischerweise Sommerfest, Weihnachtsfeier und zweimal im Jahr GVL-Treffen, wo wir immer unsere Pensionäre einladen – wenn ich dann mit 64 Jahren tatsächlich auch noch eingeladen werde.

Alfried Große: Letzte Frage: Was hat Sie in den letzten 12 Monaten am meisten überrascht?
Dietmar Nick: Wie schnell die Welt aus den Fugen geraten kann. Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir das erleben, was wir heute noch erleben, etwa 1.000 km entfernt, wie sehr das auch eine Gesellschaft spaltet und dass diese ganzen Verschwörungstheoretiker auftauchen. Das ist etwas, was mich überrascht hat. Mit dieser Trump-Biden-Nummer kann ich einigermaßen leben, aber nicht mit Leuten, die glauben, dass Politiker irgendwelche Kinder gefangen halten, ihnen das Blut abzapfen und es trinken. Dass es dafür überhaupt Plattformen gibt, dass die Firmen, die diese Plattformen haben, nicht die Verantwortung übernehmen, so etwas zu löschen. Dass der Mensch nichts aus der Vergangenheit gelernt hat, das ist etwas, was mich überrascht und schockiert.

Alfried Große: Vielen Dank für das offene Gespräch.

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Durch die Fokussierung auf Qualität, Nachhaltigkeit und Kundenzufriedenheit hat sich Kyocera Document Solutions in den vergangenen Jahren eine starke Marktposition erarbeitet und konnte kontinuierlich wachsen. So steuert das in Meerbusch ansässige Unternehmen knapp 10 Prozent zum Konzernumsatz und mehr als 25 Prozent zum europäischen Umsatz bei. Um seine führende Rolle zu behaupten, muss sich Kyocera auch in Zukunft den Herausforderungen des hoch kompetitiven MFP- und Drucker-Marktes stellen und innovative Lösungen für das Segment Production Printing anbieten.

INFO-MARKT Chefredakteur Dr. Alfried Große sprach mit Dietmar Nick, CEO der Kyocera Document Solutions Deutschland GmbH, über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die aktuelle Marktsituation und die Herausforderungen der nächsten Jahre.

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